Ägyptens Hochschulen starteten turbulent in das am Samstag begonnene neue Semester. Mindestens an zwölf Universitäten demonstrierten am Sonntag und Montag hunderte Studenten. An der Kairo Universität, der mit rund 250000 Studenten größten Hochschule Afrikas, und den Universitäten Ain Shams und Al-Azhar im Osten Kairos kam es zu Ausschreitungen zwischen Studenten, Angestellten der privaten Sicherheitsfirma Falcon und der Polizei. Anlass der aufgeheizten Stimmung zum Semesterauftakt war eine Verhaftungswelle an Studenten am Samstag und Sonntag, bei der nach unterschiedlichen Angaben landesweit 50 bis 78 Studenten von 18 verschiedenen Universitäten in ihren Wohnungen verhaftet wurden. Der Großteil soll der den Muslimbrüdern nahe stehenden Gruppe „Studenten gegen den Putsch“ angehören, die seit Herbst 2013 massiv an den Hochschulen gegen die Absetzung des islamistischen Ex-Präsidenten Mohamed Mursi demonstriert hatte. Doch auch Mitglieder linker Organisationen bekamen unangekündigten Besuch von der Polizei. Ein Mitglied der trotzkistischen Revolutionären Sozialisten entging der Verhaftung nur knapp (erschienen in Junge Welt am 15.10.2014).
Nach dem Beginn der Auseinandersetzungen vor den Toren der Universitäten von Kairo, Ain Shams und Al-Azhar am Sonntag zog die mit den Sicherheitskontrollen an den Ein- und Ausgängen beauftragte ägyptische Firma Falcon ihr Personal ab, das Innenministerium schickte Hundertschaften an die drei Hochschulen. An der Al-Azhar stürmten Polizeikräfte den Campus und feuerten Tränengasgranaten in die Menge. Mindestens fünf Demonstranten wurden verhaftet. An der Kairo Universität zerstörten Studenten Teile der Ausrüstung von Falcon bevor die Universitätsleitung den Campus sperren ließ. An der Ain Shams Universität wurden mindestens sieben Protestler in Gewahrsam genommen.
Kleinere Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei wurden auch aus Banha und Menufiya im Nildelta sowie aus Helwan südlich von Kairo und aus Alexandria gemeldet. Auch an der Universität von Alexandria kam es zu Attacken auf das Personal der Firma Falcon, die im September mit Hochschulminister Sayed Abdel Khalek die Abwicklung der Einlasskontrollen an zwölf staatlichen Hochschulen vereinbart hatte. Anhänger der Gruppe „Studenten gegen den Putsch“ versammelten sich am Dienstag an der Universität von Fayoum in der Oasenstadt südlich von Kairo, in der die Muslimbrüder über viele Sympathisanten verfügen, und forderten die Freilassung der Verhafteten und ein Ende der staatlichen Bespitzelung auf dem Campus. Auch an der Kairo Universität berichteten Studenten und Beobachter von staatlichen Spitzeln in zivil.
Hintergrund für den unruhigen Start in das neue akademische Jahr ist neben der jüngsten Verhaftungswelle gegen der verbotenen Muslimbruderschaft nahe stehenden Studentengruppen die Einführung verschärfter Sicherheitskontrollen an den Toren der Hochschulen. Schon am Samstag bildeten sich lange Schlangen an den Eingangstoren der Universitäten, da sich die neuen Sicherheitsauflagen als langwierig herausstellten. Im Zentrum der Kritik seitens Studentengruppen aus dem islamistischen aber auch linken Lager stand jedoch vor allem eine Gesetzesinitiative Abdel Khaleks, der jüngst ein Verbot jeglicher politischer Aktivitäten und des Tragens politischer Symbole oder Parolen auf dem Campus durchgesetzt hatte. Zudem verabschiedete das Kabinett ein Dekret, dass es den Universitäten erlaubt Studenten ohne ordentliche Disziplinaranhörung von den Hochschulen zu schmeißen wenn sie „Verbrechen begehen, die den Ausbildungsbetrieb“ stören.
Ägyptens Hochschulen waren seit Herbst 2013 das Zentrum regimekritischer Proteste, insbesondere seitens den Muslimbrüdern nahe stehender Gruppen. Aufgrund des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstrationen der Bruderschaft hatten sich die Proteste an die Universitäten verlagert. Mindestens 16 Studenten wurden seither auf dem Camps getötet. Hunderte Studenten wurden wegen ihrer politischen Aktivitäten oder der Beteiligung an nicht genehmigten Protesten von den Universitäten geworfen.
© Sofian Philip Naceur 2014
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