Lange wurde gerätselt, ob Algeriens amtierender Präsident Abdelaziz Bouteflika bei den Präsidentschaftswahlen im April 2014 noch einmal antreten wird. Er selbst schwieg konsequent. Am Samstag verkündete Amar Saïdani, Generalsekretär der Nationalen Befreiungsfront (FLN) und Verbündeter Bouteflikas, nach einer Sondersitzung des Zentralkomitees der Partei in Algier, die FLN werde Bouteflika bei der Wahl unterstützen. Das Staatsoberhaupt habe in „allen politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und sozialen Bereichen seit seiner Wahl 1999 bis heute“ eine „positive“ Bilanz vorzuweisen, erklärte Saïdani. Lange war die Bestätigung von Bouteflikas Kandidatur für den Wahlgang erwartet worden, der Zeitpunkt der Bekanntgabe dürfte mit anhaltenden Flügelkämpfen in der FLN zusammen hängen (erschienen in Junge Welt am 19.11.2013).
Erst im September versuchte der gesundheitlich angeschlagene Bouteflika die FLN auf Linie zu bringen und setzte trotz heftigem Widerstand aus den eigenen Reihen seinen Vertrauten Saïdani als neuen Generalsekretär in der Partei durch. Bouteflika galt in seiner dritten Amtszeit zunehmend als geschwächt. Selbst in seiner Partei habe er seine Machtbasis verloren und sei zu einer Marionette der Militärs verkommen, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen, so die einhellige Meinung von Beobachtern. Die Flügelkämpfe drohten der Partei noch länger zu schaffen zu machen. Doch mit Saïdanis Einsetzung zum Generalsekretär, einer Kabinettsumbildung und der Machtbeschneidung des mächtigen Geheimdienstes DRS im Spätsommer hat sich Bouteflika vorläufig Oberwasser verschafft. Trotz Saïdanis Versprechen die Partei einen zu wollen, rissen die Streitereien nicht ab. Im Gegenteil. Über zwei Monate nach seiner Wahl opponieren noch immer 150 Mitglieder des Zentralkomitees gegen ihn und drohen ihm mit Amtsenthebung wenn er nicht freiwillig zurücktritt.
Die Verkündung von Bouteflikas Kandidatur ist der Startschuss für den Wahlkampf. Ob das Kalkül des Bouteflika-Clans aufgeht die Risse in der Partei bis zum Urnengang zu kaschieren bleibt unklar. Während sich seine Partei zerfleischt, ist ihm die Unterstützung anderer Parteien gewiss. Schon bei den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2009 bot der Präsident die so genannte „Präsidentenallianz“ auf, ein loses Bündnis einiger Parteien, die gemeinsam für Bouteflika warben und sich damit politischen Einfluss erkauften. Wieder mit dabei ist die Nationale Demokratische Sammlung, die seit 1999 an Bouteflikas Seite steht. Auch die Algerische Volksbewegung (MPA) von Amara Benyounes hat sich hinter den Kandidaten der FLN gestellt. „Wenn Präsident Bouteflika ein viertes Mandat anstrebt, hat er die bedingungslose Unterstützung der MPA“, sagte Benyounes. Während die Bewegung für Gesellschaft und Frieden (MSP), lange Koalitionspartner der FLN aus dem islamistischen Lager, 2012 in Ungnade fiel und seither in der Opposition sitzt, ist die Unterstützung Bouteflikas durch die vom MSP-Abweichler Amar Ghoul angeführte Sammlung für Algeriens Hoffnung nur noch Formsache.
Neben Bouteflika kandidiert unter anderen Ahmed Benbitour, im Jahr 2000 kurzweilig Premierminister unter Bouteflika und ein Gegner des Präsidenten. Benbitour bezeichnete Wahlen in Algerien immer wieder als „gefälscht“ und wirbt für den „Wechsel“. Wie dieser aussehen soll, bleibt indes nebulös, denn auch Benbitour weicht der Frage aus, wie er die Macht des Militärs beschneiden will. Spekuliert wird nach wie vor über die Avancen des ehemaligen Regierungschefs Ali Benflis. Dieser trat bereits 2004 gegen Bouteflika an, erlangte als Zweitplatzierter aber nur sechs Prozent der Stimmen und warf dem Regime Wahlbetrug vor. Bisher bezweifelt niemand, dass Bouteflika sein viertes Mandat antreten wird. Wahlen in Algerien gelten als gefälscht. Wer das Land regieren will, muss sich mit der Armee arrangieren, die die Macht monopolisiert und das Land seit Jahrzehnten autoritär regiert. Die FLN war bisher ein zuverlässiges Aushängeschild der Generäle und Bouteflika der Konsenskandidat, der sich mit der Dominaz der Militärs abgefunden hatte. Währenddessen bleibt das Land vom Erdöl- und Erdgasexport abhängig und die arbeitsintensive Wirtschaft stagniert. Trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse des Regimes Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot zu bekämpfen, bleiben dies die primären sozialen Probleme des Landes. Auch hat sich unter Bouteflika die Korruption weiter ausgebreitet und Menschenrechtsstandards werden vom Sicherheitsapparat nach wie vor nicht eingehalten. Folter ist in Algeriens Gefängnissen weiterhin die Regel.
© Sofian Philip Naceur 2013