Al-Ahly, der Traditionsclub aus Ägyptens Hauptstadt Kairo, bewies am Sonntag wieder einmal eindrucksvoll, dass er im afrikanischen Fußball das Maß aller Dinge ist. Im Rückspiel der afrikanische Champions League besiegte Ahly die Orlando Pirates aus Südafrika mit 2-0 und sicherte sich nach dem 1-1 im Hinspiel in Soweto bei Johannesburg die erfolgreiche Titelverteidigung und den insgesamt achten kontinentalen Titel. Ahly ist damit weiterhin mit Abstand das erfolgreichste Team des Kontinents, gefolgt vom Stadtrivalen Al-Zamalek SC mit fünf Titeln. Ahlys Spielmacher und Publikumsliebling Mohamed Abu Treika spitzelte in der 54. Minute einen schwachen Schuss von Abdallah El-Said zur verdienten Führung am Torwart der Südafrikaner vorbei, bevor Ahmed Abdel Zaher eine Viertelstunde vor Schluss auf 2-0 erhöhte. Trotz des Platzverweises für Ahlys Verteidiger Sherif Abdel Fadil kurz vor Spielende war Ahly der Triumph nicht mehr zu nehmen (erschienen in Junge Welt am 14.11.2013).
Nach dem Spiel feierten Ahlys Fans ausgelassen in der ganzen Stadt. Hupkonzerte und Feuerwerk waren bis in die Nacht hinein überall zu hören. Dabei war die Stimmung vor dem Spiel bereits aufgeheizt. Schon mittags versuchten Ahly-Fans das Stadion zu betreten und wurden von Sicherheitskräften mit Tränengas zurückgedrängt. Das Innenministerium hielt dennoch an seiner Entscheidung fest Zuschauer zum Spiel zuzulassen. Seit dem Massaker im Stadion von Port Said im Februar 2012 war somit erstmals wieder Publikum bei einem Spiel in Kairo erlaubt, seither wurden alle Spiele in Kairo vor einer Geisterkulisse ausgetragen. Aus Sicherheitsgründen hatte das Innenministerium alle Spiele der beiden Kairoer Vereine Ahly und Zamalek in andere Landesteile verlegt und am Zuschauerverbot festgehalten. Meist fanden die Spiele in El Gouna statt, einer Kleinstadt am Roten Meer. Lediglich das Auftaktspiel der Champions League-Gruppenphase zwischen den beiden Kairoer Rivalen Ahly und Zamalek im Juli fand vor Publikum statt.
Grund für die restriktive Haltung der Behörden vor allem bei Spielen Ahlys ist die instabile politische Lage am Nil. Aufgrund der aktiven Beteiligung der Ahly Ultras an der Revolution 2011 und den blutigen Ausschreitungen in Port Said argumentierte das Innenministerium stets man könne nicht für die Sicherheit während der Spiele garantieren. Um möglichen Protesten der Ahly Ultras das Wasser abzugraben hatten die Behörden 25 Ahly-Fans, die vor zwei Wochen am Flughafen im Rahmen der Begrüßung des Ahly-Handballteams nach Ägypten zurückgekehrt waren, aus der Untersuchungshaft entlassen und bekannt gegeben, dass man nicht vorhabe auch das Champions League Finale vor leeren Rängen austragen zu lassen.
Ahlys Triumph ist zudem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass das Team derzeit kaum Spielpraxis vorweisen kann. Nach der Absetzung von Ägyptens Ex-Präsident Mohamed Mursi durch die Armee Anfang Juli wurde der Spielbetrieb in der ägyptischen Liga ausgesetzt. Lediglich der Pokal- und Champions League-Wettbewerb wurden fortgesetzt. Wann die ägyptische Liga angepfiffen und wieder Normalität in Ägyptens Fußballalltag einkehren wird, bleibt unklar. Ahly hat sich dennoch mit der Titelverteidigung seine fünfte Teilnahme an der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft, die im Dezember in Marokko ausgetragen wird, gesichert. Die Elf von Trainer Mohamed Yousef trifft im Viertelfinale am 14. Dezember auf den Sieger der asiatischen Champions League Guangzhou Evergrande aus China, die sich im Finale unter Trainer Marcello Lippi gegen den FC Seoul aus Südkorea durchsetzten. Besiegen die Roten Teufel aus Kairo Guangzhou, steht ihnen im Halbfinale der FC Bayern München gegenüber. Die Bayern sind für das Halbfinale gesetzt und haushoher Favorit. Beim letzten Aufeinandertreffen beider Teams bei einem Freundschaftsspiel 2012 verlor Ahly nur knapp mit 1-2.
Die Freude über Ahlys Titelgewinn wurde direkt nach dem Spiel von der politischen Realität am Nil eingeholt. Nach dem Tor zum 2-0 hatte Stürmer Ahmed Abdel Zaher vier Finger in die Höhe gehalten. Das Rabaa-Zeichen ist eine Andeutung an die blutige Räumung der Protestcamps der Muslimbrüder Mitte August und inzwischen zum Symbol von Anhängern des gestürzten Mohamed Mursi geworden. Nachdem Ahly den Spieler am Montag suspendierte, seine Bezüge einfror und eine Untersuchung einleitete, entschuldigte sich Abdel Zaher für seine Geste mit der Begründung er wollte einem bei der Räumung des Rabaa-Camps verstorbenen Freund gedenken. Der Verein hielt dennoch an der Suspendierung fest und kündigte an den Spieler auf die Transferliste setzen zu wollen. Für die Klub-WM in Marokko bleibt Zaher gesperrt.
© Sofian Philip Naceur 2013