Regentschaft vom Krankenbett aus – Kampagne zur Absetzung von Algeriens Präsident Bouteflika

Der Besuch von Venezuelas Präsident Nicolas Maduro in Algerien Anfang der Woche hat ein Nachspiel. Denn ein Treffen Maduros mit seinem algerischen Amtskollegen Abdelaziz Bouteflika fand nicht statt. Empfangen wurde er stattdessen von Premierminister Ahmed Ouyahia – ein gefundene Fressen für die Opposition. Schließlich ruft diese bereits seit Wochen dazu auf Bouteflika gemäß Artikel 102 der algerischen Verfassung abzusetzen und Neuwahlen durchzuführen. Begründung für die Forderung: Der seit 1999 amtierende Staatschef sei nicht fähig, die Amtsgeschäfte auszuüben (erschienen in junge Welt am 16.9.2017).

Zu den treibenden Kräften hinter der Kampagne zählen die Oppositionsparteien Jil Jadid und Talaïe El-Hourriyet sowie eine Gruppe Akademiker und Intellektueller, die jüngst einen Appell lancierte, der Bouteflikas Absetzung fordert. Eine Petition auf der Internetseite Avaaz sammelte bisher jedoch nur rund 2100 Unterschriften. Doch in Algerien wird das Thema weiterhin heiß diskutiert, auch wenn die Opposition in der Frage gespalten bleibt.

In der Tat gilt Bouteflika seit einem Schlaganfall 2013 als gesundheitlich angeschlagen und nicht regierungsfähig. In der Öffentlichkeit taucht er nur in Ausnahmefällen auf wie anlässlich seiner Stimmabgabe während der Parlamentswahl im April. Eine gute Figur machte er dabei keineswegs, wurde er doch, apathisch vor sich hin starrend, im Rollstuhl ins Wahllokal geschoben und schaffte es nicht seinen Wahlzettel ohne Hilfe in die Urne zu werfen. Schon seine Wiederwahl 2014 war an Absurdität nicht zu überbieten, hatte er damals doch sichtlich Mühe seinen Amtseid vorzulesen. Spekulationen über seinen Gesundheitszustand gehören seither zum politischen Tagesgeschäft.

Während Ouyahia gebetsmühlenartig erklärt, Bouteflika übe seine Funktionen normal aus, verwies die Opposition zuletzt wiederholt auf nicht stattgefundene diplomatische Gespräche als Legitimation für ihre Forderung nach Neuwahlen. Zuletzt traf Bouteflika im März mit dem Präsidenten der Republik Kongo, Denis Sasso-Nguesso, zusammen. Der für Februar 2017 geplante Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Algier wurde von algerischer Seite in letzter Minute abgeblasen, ebenso wie ein Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch verzögerte sich der offizielle Amtsantritt mehrerer Botschafter in Algerien, da Bouteflika die neu entsandten Diplomaten erst Monate nach deren Ankunft in Algier persönlich empfangen konnte – eine protokollarische Verpflichtung bei der Neubesetzung von Botschafterposten.

Eine Anrufung von Artikel 102 ist dennoch unwahrscheinlich. Denn zwar sieht dieser vor, den Präsidenten bei „schlimmer und dauerhafter Krankheit,“ die es diesem nicht erlaube seine Amtsgeschäfte vollständig auszuüben, abzusetzen, doch der Opposition fehlt die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Das Bouteflika stützende Regierungsbündnis aus der von ihm selbst angeführten Nationalen Befreiungsfront, Ouyahias Nationaldemokratischer Sammlung und zweier kleiner erst im April vom Regime kooptierten Parteien verfügt im Unterhaus des Parlamentes über eine komfortable Mehrheit. Vorgezogene Neuwahlen sind trotzdem eine Option, sollte sich das Regime noch vor dem vorgesehenen Wahltermin 2019 auf einen Nachfolger einigen. Derzeitiger Favorit auf den Posten ist der seit August amtierende Premier Ouyahia. Der als hochgradig korrupt geltende Technokrat mit guten Verbindungen zur Armee hatte den erst drei Monate zuvor ernannten Abdelmajid Tebboune überraschend ersetzt nachdem sich dieser allzu lautstark mit Ali Haddad, Chef des Arbeitgeberverbandes und ein Vertrauter Bouteflikas, angelegt hatte und von diesem öffentlich zurückgepfiffen wurde. Der zuletzt mit rechtspopulistischen Äußerungen und einem straff neoliberalen Regierungsprogramm aufgefallene Ouyahia macht aus seinen Ambitionen kein Geheimnis und hat seit seiner insgesamt vierten Ernennung zum Regierungschef und dem guten Abschneiden seiner Partei bei der Parlamentswahl im April derzeit Oberwasser.

© Sofian Philip Naceur 2017

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