Algerien: Soziale Medien im Visier

Algeriens Regierung instrumentalisiert die Coronakrise weiter für politische Zwecke und geht während der Pandemie verstärkt gegen Opposition, Protestbewegung und Medien vor. Strafverfolgungsbehörden und die der immer autoritärer agierenden politischen Führung treu ergebenen Teile der Justiz haben dabei zunehmend »soziale Medien« im Visier. Verhaftungen von Aktivisten wegen regierungskritischer Äußerungen im Internet hatten zuletzt in besorgniserregender Manier zugenommen. Diese Woche nun verabschiedete das Parlament zwei Gesetzesnovellen, die den Behörden zusätzliche Mittel in die Hand geben, um künftig noch restriktiver gegen Kritik im Netz vorgehen zu können (erschienen in junge Welt am 25.4.2020).

Am Donnerstag nahm das Oberhaus des Parlamentes ein Gesetz gegen Diskriminierung und »Hassreden« sowie eine Revision der Strafgesetzgebung an, durch die das Verbreiten von »Fake News« mit hohen Haftstrafen belegt wird. Kriminalisiert werden dadurch Äußerungen, die »die öffentliche Ordnung und Sicherheit untergraben« oder die »Sicherheit des Staates oder die nationale Einheit« gefährden. Der von Justizminister Belkacem Zeghmati vorgelegte Gesetzesentwurf sieht bei entsprechenden Vergehen bis zu drei Jahre Gefängnis vor. Sollte die Tat »in Zeiten von die öffentliche Gesundheit betreffenden Lockdowns« oder in Katastrophenfällen begangen werden, sind gar bis zu fünf Jahre Haft möglich.

Die Neufassung des Strafgesetzbuches erlaube es dabei, einer Reihe von »Formen der Kriminalität zu begegnen, die die Sicherheit und Stabilität in der Gesellschaft bedrohen und die Sicherheit des Staates untergraben«, wird Zegh­mati von Algeriens Presseagentur APS zitiert. Die Reform fülle eine Gesetzeslücke. Das Antidiskriminierungsgesetz sei derweil wichtig, da die sogenannten sozialen Medien »ein fruchtbarer Boden« für die Verbreitung von Diskriminierung und Hass geworden seien, so der Minister.

Vor allem die Revision der Strafgesetzordnung wird von Aktivisten und Menschenrechtlern als erheblicher Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit gewertet. Die NGO »Reporter ohne Grenzen« verurteilte die Novelle scharf. Das »vage formulierte und drakonische Gesetz« erlaube es den Behörden, Medien und Internetnutzer »zu zensieren und einzuschüchtern«, und sei dafür konzipiert, der Presse einen Maulkorb zu verpassen, so die Organisation in einer Stellungnahme.

Diese vehemente Kritik ist wenig verwunderlich, sitzt doch der unter anderem für die NGO arbeitende algerische Journalist Khaled Drareni seit Ende März im Gefängnis. Ihm wird unter anderem »Gefährdung der nationalen Einheit« vorgeworfen. Die Organisation hatte am Mittwoch ihr alljährlich veröffentlichtes internationales Ranking zur Achtung der Pressefreiheit für 2020 vorgestellt und Algerien darin ein miserables Zeugnis ausgestellt. Das Land steht auf Platz 146 von insgesamt 180 Staaten und rutschte im Vergleich zum Vorjahr um fünf Ränge ab.

© Sofian Philip Naceur 2020

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