Al-Sisi zieht die Zügel an

Die Präsidentschaft von Ägyptens autoritär regierendem Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi nimmt zunehmend diktatorische Züge an. Drei Monate nach seiner umstrittenen und von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wiederwahl zum Präsidenten setzt der ehemalige Armeechef derzeit alles daran, seine Macht im Staats- und Regierungsapparat zu konsolidieren und potentielle Widersacher aus dem Weg zu räumen (erschienen in junge Welt am 19.6.2018).

Am Donnerstag hatte Al-Sisi eine umfassende Regierungsumbildung angekündigt, 12 von 32 Ministerposten neu besetzt und dabei überraschend auch Verteidigungsminister Sedki Sobhy und Innenminister Magdy Abdel Ghaffar entlassen. Beide Ämter gelten als Schlüsselressorts in Ägyptens Exekutive.

Expremierminister Sherif Ismail war bereits nach Al-Sisis Vereidigung für dessen zweite Amtszeit am 2. Juni zurückgetreten und hatte damit den Weg frei gemacht für Mostafa Madbouly, der fortan nicht nur als Regierungschef fungieren, sondern auch das seit 2014 von ihm geleitete Ministerium für Wohnungsbau weiterführen wird. Zum neuen Verteidigungsminister ernannte Al-Sisi den vormaligen Chef der Republikanischen Garden, Mohamed Ahmed Zaki. Der erst seit Oktober 2017 amtierende Leiter der Heimatschutzes, des gefürchteten und als Staatssicherheitsdienst bekannten Inlandsgeheimdienstes, Mahmoud Tawfik, ist neuer Innenminister.

Kabinettsumbildungen sind in Ägypten keine Seltenheit, werden doch vor allem nach Wahlgänge in der Regel mehrere Regierungs- und Gouverneursposten neu besetzt. Doch die Entlassungen von Sobhy und Abdel Ghaffar sind bemerkenswert. Zwar bemühte sich Al-Sisi Geschlossenheit zu demonstrieren und ließ Bildaufnahmen aus dem Präsidentenpalast veröffentlichen, auf denen Sobhy, Abdel Ghaffar und ihre beiden Nachfolger in entspannter Runde zusammen sitzen, doch die Neubesetzung beider Ressorts dürfte weit mehr sein als eine bloße Routinemaßnahme.

Ob es sich bei der Entscheidung um den vorläufigen Höhepunkt einer politischen Säuberungswelle handelt, bleibt unklar, ist aber nicht ausgeschlossen. Nachdem Al-Sisi im Oktober den Stabschef der Armee, Mahmoud Hegazy, entlassen hatte, ersetzte er Mitte Januar überraschend den Chef des Auslandsgeheimdienstes GIS, Khaled Fawzy, mit seinem Vertrauten Abbas Kamal. Kurz zuvor hatte der einflussreiche General Sami Annan erklärt, bei den Präsidentschaftswahlen gegen Al-Sisi antreten zu wollen. In einer Videobotschaft hatte er Al-Sisis Politik ungewöhnlich offen kritisiert und damit deutliche Risse innerhalb des Regimes und vor allem innerhalb des Sicherheitsapparates offenbart. Nur Tage später wurde er verhaftet, ein Affront gegenüber Annans Verbündeten.

Derweil fordern Al-Sisis Unterstützer immer vehementer eine Abschaffung der in der Verfassung festgelegten Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate. Eigentlich dürfte Al-Sisi 2022 nicht mehr antreten. Doch wie mehrere ägyptische Zeitungen berichten, wird eine Abschaffung der Mandatsbegrenzung und eine Verlängerung der präsidialen Amtszeit von vier auf sechs Jahre bereits heiß diskutiert und steht ganz oben auf der Agenda des Parlaments für die kommende Sitzungsperiode. Angesichts der Ablehnung einer unbegrenzten Amtszeit Al-Sisis durch Teile des Regimes sind entsprechende Flügelkämpfe vorprogrammiert.

Damit in Verbindung stehen zudem die jüngsten Entwicklungen im Parlament. Ende Mai hatten sich 150 parteilose und 50 parteigebundene Abgeordnete der dem Sicherheitsapparat nahe stehenden Partei Zukunft des Heimatlandes angeschlossen, die damit ihrem Ziel näher kommt, eine neue Al-Sisi unterstützende Regimepartei im Land zu etablieren. Die bisher nur mit 57 Abgeordneten in der Kammer vertretene Partei ist damit über Nacht Ägyptens stärkste parlamentarische Kraft geworden und dürfte das bisher stark fragmentierte Parlament fortan nach Belieben dominieren. Ägyptens Rückkehr zu klaren diktatorischen Verhältnissen ist damit offenbar nur noch reine Formsache.

© Sofian Philip Naceur 2018

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