Während Ägyptens Opposition weiterhin unter einer massiven Kampagne gegen Andersdenkende zu leiden hat, geht der Staat weiter rigoros gegen Journalisten vor. Am 29. Dezember 2013 wurden vier Mitarbeiter des englischsprachigen Ablegers von Al Jazeera von der Staatssicherheit in Kairo verhaftet. Ein Mitarbeiter wurde freigelassen, während der australische Korrespondent Peter Greste, Al Jazeeras Bürochef Mohamed Fahmy und Produzent Baher Mohamed weiter im Hochsicherheitsgefängnis Tora in Süd-Kairo festgehalten werden. Der den Muslimbrüdern nahe stehende Sender aus Katar, dessen ägyptischer Ableger Mubasher Misr im Sommer 2013 verboten wurde, steht damit weiter ganz oben auf der Abschussliste von Regierung und Militär. Im Januar erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen 20 angebliche Mitarbeiter des Senders. Den vier Ausländern wird die Verbreitung von Falschinformationen und Störung der öffentlichen Sicherheit vorgeworfen, während die 16 ägyptischen Angeklagten unter Terrorverdacht stehen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ zur Last gelegt. Die zu den vier angeklagten Ausländern gehörende freie Journalistin Rena Netjes aus den Niederlanden hat inzwischen das Land verlassen. Sie habe nie für Al Jazeera gearbeitet, sondern nur ein Interview für den Sender gegeben, gab sie zu Protokoll. Der Fall Al Jazeera ist jedoch nur die Sperrspitze dieser die Pressefreiheit bedrohenden Stimmung am Nil (erschienen in Junge Welt am 11.2.2014).
Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen bezeichnen Ägypten 2013 als drittgefährlichstes Land für Journalisten. Fünf Reporter wurden im Jahresverlauf getötet und mindestens 80 verhaftet. Auch 2014 ist keine Besserung in Sicht. Allein am 25. Januar wurden 19 Reporter abgeführt. Seit Jahresbeginn stieg die Zahl der Verhaftungen damit auf 46 an. Derzeit befinden sich mindestens 13 Journalisten in Haft. Ein inzwischen außer Kontrolle geratenes Problem für die nationale und internationale Presse sind Angriffe aus der Zivilbevölkerung. Immer wieder werden Reporter von Zivilisten tätlich angegriffen. Erst im Januar war ein ARD-Team Ziel einer solchen Attacke. Reportern wird oft vorgeworfen für Al Jazeera zu arbeiten. Die Kampagne von Regierung, Armee und alten Regime-Kadern, die der ausländischen Presse Spionage vorwirft und abweichende Meinungen gezielt zu diskreditieren versucht, wird von Staatsrundfunk und dem Gros der Privatpresse am Nil mitgetragen und macht weiter aggressiv Stimmung gegen ausländische Journalisten.
Die am Nil anwesende Auslandspresse aus Europa und Nordamerika echauffiert sich bereits seit Monaten über die schwierig gewordenen Arbeitsumstände. Dabei haben Ausländer jedoch meist wenig zu befürchten und können Verurteilungen und Haftstrafen schlich durch Ausreise entgehen, während ägyptische Reporter die ganze Härte der Repression zu spüren bekommen, wie der Fall Jeremy Hodge und Hossam Meneai nahe legt. Beide waren Mitte Januar in ihrer gemeinsamen Wohnung in Giza verhaftet worden. Der Ex-Reporter Hodge aus den USA kam nach wenigen Tagen auf freien Fuß, blieb körperlich unversehrt und verließ kurz darauf das Land. Meneai wurde tagelang geschlagen und bedroht und sitzt nach wie vor in Haft.
© Sofian Philip Naceur 2014