Al-Sisis Referendum

Fünf Jahre nach der erneuten Machtergreifung der Militärs in Ägypten haben diese ihre Stellung im Land weitgehend zementiert und vollziehen derzeit den letzten Schritt einer Restaurierung der alten Ordnung. Denn die seit Montag laufenden Präsidentschaftswahlen im Land zeigen deutlich, was das Regime von politischer Mitbestimmung der eigenen Bevölkerung hält (erschienen in junge Welt am 28.3.2018).

Ein haushoher Wahlsieg des autoritär regierenden Staatspräsidenten Abdel Fattah Al-Sisi gilt schon seit Monaten als sicher. Die Gegenkandidatur von Al-Sisis einzigem Herausforderer, dem Chef der regimenahen Ghad-Partei, Moussa Mostafa Moussa, ist nicht mehr als ein Versuch, dem Urnengang einen pseudodemokratischen Anstrich zu verleihen. Denn Moussa ist chancenlos.

In der internationalen Presse und in sozialen Netzwerken wurde die Abstimmung demnach wenig überraschend als „Augenwischerei“, „Parodie“ oder „Maskerade“ bezeichnet. Gegenkandidaten, die Al-Sisi hätten gefährlich werden können, wurden im Vorfeld des Urnengangs konsequent aus dem Weg geräumt und sitzen heute im Gefängnis, stehen unter Hausarrest oder sind politisch machtlos. Die Abstimmung sei keine Wahl, sondern ein Referendum, heißt es sowohl auf Kairos Straßen als auch in den Reihen der marginalisierten regimekritischen Opposition.

Der auf drei Tage angesetzten und heute zu Ende gehenden Präsidentschaftswahl wird seitens des Regimes dennoch eine zentrale Bedeutung für die Stabilität des Landes beigemessen, denn obwohl der Wahlsieger bereits feststeht, gilt eine hohe Wahlbeteiligung als Ausdruck des Einverständnisses der Bevölkerung mit Al-Sisis Politik. Dieser hatte ebenso wie Regierungsvertreter wiederholt zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen und die Stimmabgabe als nationale Pflicht bezeichnet. Während bereits seit Wochen auf Plakaten und in staatsnahen Medien massiv für die Stimmabgabe geworben wird, sind mit Lautsprechern und ägyptischen Fahnen ausgerüstete Fahrzeuge, die entsprechende Parolen oder eigens komponierte Lieder lautstark und in Dauerschleife abspielen, omnipräsent auf Ägyptens Straßen.

Passend zusammengefasst hat der ägyptische Soziologe und Professor der American University in Cairo, Amro Ali, die Hintergründe der Abstimmung. Das Regime betrachte „Wahlen nicht als einen institutionalisierten Mechanismus innerhalb eines rechenschaftspflichtigen Regierungsprozesses, sondern als ein sorgfältig orchestriertes in ein Spektakel gehülltes Ereignis, dass die Stärke des Regimes bekräftigt und die Opposition austestet“, schreibt Ali in der ägyptischen Internetzeitung Mada Masr.

In der Tat ist eine hohe Wahlbeteiligung im Interesse der Regierenden. Während sich am Montag vor allem Al-Sisis Unterstützer an der Wahl beteiligten und versuchten eine Art Festtagsstimmung zu verbreiten, blieb der Andrang vor den Wahllokalen im Land gering. Die mit der Organisation und Auswertung der Abstimmung beauftragte Nationale Wahlkommission nannte zwar noch keine offiziellen Zahlen, sprach jedoch von einer Wahlbeteiligung am ersten Wahltag von landesweit rund zehn Prozent.

Verstöße gegen geltende Wahlgesetze waren derweil ebenso offensichtlich wie die Versuche der Regierung und regimenaher Wahlbeobachter diese herunterzuspielen. „Wir haben landesweit etwa 600 Wahlbeobachter im Einsatz und Regelverstöße bereits der Wahlkommission gemeldet“, erklärt Mohamed Mamdouh vom Egyptian Youth Council for Development gegenüber jW. Während sich seine Organisation als politisch unabhängige Einrichtung bezeichnet, ist die regimenahe Rhetorik seiner Mitarbeiter unübersehbar. Wenig überraschend bestätigt Mamdouh auch nur unbedeutende Regelverstöße, wie Verletzungen gegen das seit Samstag geltenden Kampagnenverbot. Versuche des Al-Sisi-Lagers, Stimmen zu kaufen, habe es nicht gegeben, so Mamdouh. Zahlreiche diesen Beobachtungen widersprechende Berichte in lokalen oppositionellen oder internationalen Medien und sozialen Netzwerken kommen der Realität jedoch deutlich näher, schließlich gilt der Stimmenkauf am Nil schon seit Jahrzehnten als gut gepflegte Tradition.

© Sofian Philip Naceur 2018

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