Ägypten – Internetblockade und Verhaftungen

Ägyptische Behörden haben in den vergangenen Wochen ihre Repressalien gegen die Opposition intensiviert. Bereits seit Mittwoch sind mindestens 21 Onlinemedien in Ägypten nicht mehr erreichbar. Betroffen sind unter anderem die Huffington Post Arabic, die Internetseite des den islamistischen Muslimbrüdern nahe stehenden katarischen TV-Senders Al Jazeera sowie die progressive linksliberale Internetzeitung Mada Masr. Vor allem die Unerreichbarkeit Mada Masrs sorgte im Land für Gesprächsstoff, gilt das Blatt doch als eine der wenigen noch verbliebenen Qualitätsmedien (erschienen in junge Welt am 29.5.2017).

Zwar sind die betroffenen Seiten in Ägypten weiterhin über Proxyserver erreichbar, die einen Seitenaufruf aus Ägypten über Server im Ausland leiten und somit die Blockade der Regierung umgehen, doch die Maßnahme überrascht. Bisher setzten Ägyptens Behörden in ihrer Kampagne gegen Meinungs- und Pressefreiheit im Internet vornehmlich auf die Kontrolle sozialer Netzwerke sowie die Strafverfolgung von Menschen, die sich in diesen regimekritisch äußern. Das Blockieren von Internetseiten zählte bisher nicht zu den üblichen Repressionswerkzeugen des Regimes und wurde lediglich vereinzelt eingesetzt.

Besorgniserregend ist derweil die Begründung für die Zugangsbeschränkungen. Ägyptens staatliche Nachrichtenagentur MENA berichtet mit Verweis auf eine anonyme Quellen im Sicherheitsapparat, die Blockade werde mit der „Unterstützung von Terrorismus und Extremismus“ gerechtfertigt. Auch in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden zeitgleich zahlreiche Internetseiten mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft und dem Golfemirat Katar blockiert. Die offenbar koordinierte Aktion wird mit den anhaltenden Feindseligkeiten zwischen Katar und den anderen Golfstaaten und Ägypten in Zusammenhang gebracht.

Derweil holten ägyptische Behörden schon Anfang der Woche zu einem erneuten Schlag gegen Regimekritiker aus, ließen dutzende Aktivisten verhaften oder verhören und machten auch vor dem bekannten Menschenrechtsanwalt und Linkspolitiker Khaled Ali nicht halt. Dieser war schon am Dienstag verhaftet und erst nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen worden. Der Gründer der linken Partei für Brot und Freiheit muss sich am Montag einem gerichtlichen Schnellverfahren stellen, doch die Anklagepunkte bleiben weiterhin unklar, erklärten Alis Anwälte. Sollte er schuldig gesprochen werden, könne er nicht bei den 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen antreten, zitiert Mada Masr den Anwalt Negad Al-Borei. Ali gilt als einer der vielversprechendsten Kandidaten des linksliberalen oppositionellen Lagers im Land, eine Verurteilung würde seiner Kandidatur für das höchste Staatsamt einen Riegel vorschieben.

Schon am Wochenende waren dabei landesweit dutzende Aktivisten mehrerer regimekritischer Parteien und Bewegungen verhaftet worden. Betroffen waren unter anderem die liberale Verfassungspartei, die Ägyptische Sozialdemokratische Partei, die liberale Bewegung des 6. April und die trotzkistischen Revolutionären Sozialisten. Mehr als 30 Menschen wurden dabei in Kairo, Banha, Aswan, Mahalla, Qalyubia, Alexandria und Port Said verhaftet.

Das Innenministerium hatte in einer Stellungnahme erklärt, die Behörden hätten 40 Individuen wegen Aufrufen zu Gewalt, regierungskritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken, Beleidigung des Präsidenten oder der Störung des öffentlichen Friedens verhaftet. Die Opposition ist sich uneins über die Beweggründe für die jüngste Verhaftungswelle. Während die Aktion unter anderem als Einschüchterung der Opposition im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen bezeichnet wurde, glaubt der Chef der Verfassungspartei, Khaled Dawoud, die Maßnahme stehe in Verbindung mit der geplanten Verabschiedung mehrere Gesetze, in denen die Strafen für die Beleidigung des Präsidenten sowie staatlicher Institutionen und Symbole verschärft werden sollen.

© Sofian Philip Naceur 2017

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