Merkels Staatsbesuch in Kairo – Groteske Realpolitik

Demonstrativ harmonisch präsentierten sich Ägyptens autoritär regierender Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihren gemeinsamen Auftritten am Donnerstag in Kairo. Meinungsverschiedenheiten in Menschenrechtsfragen blieben nur eine Randnotiz, denn Berlin will Ägypten um jeden Preis stabilisieren und sagte weitere Hilfsgelder zu. Diese jedoch sind angesichts der beispiellosen Wirtschaftskrise im Land nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein (erschienen in junge Welt am 4.3.2017).

Zentrales Motiv von Merkels Visite am Nil war derweil der Ausbau der migrationspolitischen Kooperation, denn Deutschland und die EU wollen das Land enger in das Migrationsabwehrregime im Mittelmeerraum einbinden, Ägyptens Grenzabsicherung ausbauen und den Kampf gegen Schleuser und Fluchtursachen vor Ort intensivieren. Zur Absicherung der Ostflanke der Festung Europa im Mittelmeerraum wollen Brüssel und Berlin vor allem die Entwicklungskooperation und Ägyptens Kapazitäten bei der Grenzsicherung verstärken. Dafür stellte Merkel die Lieferung von technischer Ausrüstung in Aussicht. Deutsche Rüstungsgüterexporte nach Ägypten sind dabei bereits letztes Jahr massiv ausgeweitet worden. Das Bundeswirtschaftsministerium bezifferte die vorläufigen Zahlen zu Rüstungsexportgenehmigungen der Bundesregierung für Ägypten für 2016 auf 400 Millionen Euro, eine stolze Summe für ein Land, das Menschenrechte mit Füßen tritt, Kritiker strafrechtlich verfolgen und Arbeitskämpfe mit Gewalt niederknüppeln lässt.

Der zuletzt von europäischer Seite eingebrachte Vorschlag zur Errichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge und Migranten in Nordafrika wurde zwar im Februar von Ägyptens Außenministerium mit einer deutlichen Absage quittiert, doch bei der gemeinsamen Pressekonferenz Merkels und Al-Sisis klang das schon anders. An diesem Punkt sei man noch nicht, so Merkel. Al-Sisi wiederholte derweil seine kruden Behauptungen, Ägypten beherberge mehr als fünf Millionen Flüchtlinge, die „unter den Ägyptern in ihren Häusern“ leben und essen „was die Ägypter essen, als wären sie selbst Ägypter.“

Nicht erwähnt hat der Autokrat dabei eigene Verfehlungen in der Flüchtlingspolitik, denn das Land ignoriert trotz der Ratifizierung der Genfer Flüchtlingskonvention konsequent seine dort verbrieften Verpflichtungen, führt keine Asylanerkennungsverfahren durch und überlässt die medizinische Versorgung von Flüchtlingen fast ausschließlich der unter massivem Druck stehenden Zivilgesellschaft. Unersetzliche Anlaufstellen für traumatisierte Menschen wie das Al-Nadeem Center, eine Menschenrechtsorganisation, die psychologische Betreuung von Folter- und Gewaltopfern angeboten hatte, werden von den Behörden strafrechtlich verfolgt oder wie im Falle Al-Nadeems gar komplett geschlossen.

Umso grotesker mutet daher der von Merkel verkündete Erfolg im Streit um die Arbeit deutscher politischer Stiftungen in Ägypten an. Kairo und Berlin planen demnach ein Zusatzabkommen zum Kulturabkommen, in dessen Rahmen die zukünftige Arbeit deutscher Stiftungen geregelt werden soll. Ende 2011 waren die Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kairo durchsucht und behördlich geschlossen worden. Dutzende Mitarbeiter mehrerer ägyptischer und internationaler NGO’s wurden kurz darauf zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Doch während die Stiftungen ihre Aktivitäten im Land offenbar bald wieder anfahren können, ist Ägyptens Zivilgesellschaft mit einer beispiellosen staatlichen Repressionskampagne konfrontiert, die jedwede Kritik gegenüber dem herrschenden Regime und seiner Politik mundtot zu machen versucht. So erfreulich eine vertraglichen Neuregelung der Arbeit der Stiftungen im Land auch sein mag, so grotesk ist die Freude über diesen Erfolg angesichts der anhaltenden Repression gegen die Zivilgesellschaft. Denn betroffen von der Repression sind vor allem Organisationen, die die von Ägyptens Sicherheitsapparat hinterlassenen Scherben wiedereinsammeln.

© Sofian Philip Naceur 2017

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