Nordsinai bleibt Kriegsgebiet

Ägyptens Sicherheitsapparat muss im Kampf gegen aufständische islamistische Milizen im Norden der Sinaihalbinsel einen herben Rückschlag hinnehmen. Innerhalb von nur sechs Tagen hat die Terrorgruppe Wilayat Sina (Arabisch für Provinz Sinai) im Norden der Provinz fünf Anschläge auf Einrichtungen von Polizei und Armee verübt. Bei den heftigsten Zwischenfällen am Wochenende in Al-Arisch, der größten Stadt der Provinz nahe der Grenze zum palästinensischen Gazastreifen, starben mindestens acht Polizisten, ein Zivilist und zehn Mitglieder von Wilayat Sina, die sich 2015 offiziell dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen hatte. Elf Polizisten und zehn Zivilisten seien verletzt worden, heißt es in einer Stellungnahme des ägyptischen Innenministeriums (erschienen in junge Welt am 13.1.2017).

Bei einem Angriff des IS auf einen Checkpoint südlich von Al-Arish sei ein Polizist getötet worden. Der weitaus größere Anschlag fand in Al-Arish statt. Rund 20 Gewaltbereite sollen sich auf einem Kleinlaster dem Al-Matafy-Checkpoint genähert und versucht haben ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in die Luft zu sprengen. Bewaffnet mit Panzerabwehrraketen und Kalaschnikows lieferte sich Wilayat Sina anschließend heftigte Gefechte mit der Polizei.

Während das Innenministerium erklärte, der Autobombenanschlag sei rechtzeitig vereitelt worden, behauptet der IS, zwei Autobomben gezündet und 25 Polizisten getötet zu haben. In martialischen Tönen erklärte die Gruppe der zum IS gehörenden Nachrichtenagentur Ammaq, man habe nach der Detonation der Bomben alle Überlebenden getötet und versucht diese Behauptung mit in sozialen Netzwerken veröffentlichten Bildern zu untermauern, die eine Explosion und vermummte Kämpfer zeigen, die sich angeblich in einer Polizeieinrichtung aufhalten. Armee und Innenministerium stellten ebenfalls Bilder ins Internet, die beschlagnahmte Waffen und getötete Aufständische zeigen sollen.

Schon einige Tage zuvor hatte es zwei Zwischenfälle südwestlich von Al-Arish gegeben, wobei die Nachrichtenlage auch hier widersprüchlich bleibt. Nahe der Kleinstadt Nekhel im Zentralsinai griff der IS am 6. Januar einen Armeecheckpoint an, tötete einen Soldaten und verletzte vier weitere. Am Folgetag erklärte die Armee, sie sei einem geplanten Angriff auf einen Checkpoint zuvorgekommen und habe bei einer Razzia neun Terroristen getötet und 16 verletzt. Zum Nekhel-Vorfall äußerte sich Ägypten nicht explizit. Die von der Kanalstadt Suez quer durch die Halbinsel und an Nekhel vorbei führende Straße nach Taba an der ägyptisch-israelischen Grenze wurde dennoch komplett gesperrt.

Ausländern ist das Passieren dieser Route seit Jahren untersagt, obwohl es die entlang der Straße postierten Polizisten mit diesen Restriktionen nicht sehr genau nehmen. Doch nach dem 6. Januar wurde auch ägyptischen Urlaubern, die die am Golf von Aqaba liegenden Ferienorte Nuweiba oder Dahab ansteuern, der Zugang zur Taba-Suez-Straße verwehrt. Die Sperrung der Straße ist insofern bemerkenswert, als das die Sperrung für Ausländer als reine Vorsichtmaßnahme galt, obwohl sich der Krieg zwischen IS und Sicherheitsapparat bis 2016 auf ein relativ kleines Gebiet rund um Rafah und Sheikh Zuweid an der Grenze zu Gaza konzentrierte. Seit letztem Jahr setzt der ägyptische IS-Ableger jedoch vermehrt auf Operationen in südlicheren Regionen und reagierte damit offenbar auf die jüngsten Offensiven der Armee. Warum Ägypten es nicht schafft, dem IS im Sinai den Garaus zu machen, bleibt dabei schleierhaft, ist Ägyptens Armee doch nach Angaben von Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi mit 25.000 Sicherheitskräften vor Ort.

Die Regierung in Kairo reagierte derweil nach zwei weiteren Angriffen des IS in Sheikh Zuweid am Mittwoch, bei denen zehn Islamisten getötet worden sein sollen, mit Reiserestriktionen für Ägypter. Nur hier lebenden Ägyptern wird fortan der Zugang zum Sinai gewährt. Ägyptische Sinaiurlauber müssen hingegen eine Hotelreservierung und auf der Halbinsel arbeitende Ägypter ein polizeiliches Führungszeignis vorlegen, um in die Provinz zu gelangen.

© Sofian Philip Naceur 2017

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