Riskante Währungspolitik am Nil

Ägyptens Zentralbank (CBE) hat am Donnerstag die unter massivem Druck stehende Währung des Landes, das ägyptische Pfund (LE), abgewertet und freie Wechselkurse eingeführt. Damit reagierte die CBE erstmals seit der vorsichtigen Wechselkursanpassung im März, bei der das Pfund um rund 14 Prozent abgewertet wurde, mit einem Strategiewechsel auf die Wirtschafts- und Währungskrise im Land und erfüllt gleichzeitig eine wichtige Auflage des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit diesem hatte sich Ägypten bereits im August auf ein milliardenschweres Kreditpaket geeingt, von dem sich das Regime von Präsident Abdel Fattah Al-Sisi Impulse für die kriselnde Wirtschaft des Landes erhofft.

Doch der Preis dafür wird hoch sein. Denn bereits jetzt ist klar, dass sowohl die Einführung eines freien Wechselkursregimes als auch die erst jüngst beschlossene Mehrwertsteuer sowie die massive Reduktion von Subventionen soziale Spannungen nähren könnte. Al-Sisis Regierung wartet derweil ungeduldig auf die Freigabe der Kredite durch den Vorstand des umstrittenen Fonds, der ebenso wie die Europäische Bank für Wideraufbau und Entwicklung, die Liberalisierung der Wechselkurse am Nil willkommen hieß.

Ägyptens Wirtschaft leidet bereits seit 2011 an einem Mangel an Devisen, der sich im Herbst 2015 weiter massiv verschärft hat. Die beiden wichtigsten Devisenquellen für Ägyptens importabhänige Wirtschaft – internationale Investitionen und Touristen – sind seither eingebrochen und stellen nicht nur die Regierung vor ernsthafte Probleme. Auch die Privatwirtschaft im Land, die zwingend auf Importe angewiesen ist, kann nur mit angezogener Handbremse operieren, da die Zentralbank die Verfügbarkeit von US-Dollar massiv eingeschränkt hat.

Die Zentralbank bezeichnete den fiskalpolitischen Eingriff in einer Stellungnahme als optimalen und nachhaltigen Pfad für die ägyptische Wirtschaft. Er werde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern, die Vertiefung der Liquidität an harter Währung erlauben und sich positiv auf die unter Druck stehenden Währungsreserven auswirken.

Die CBE gab am Donnerstag zunächst einen Wechselkurs von 13 LE für einen US-Dollar aus, der jedoch lediglich als nicht bindende Empfehlung behandelt werde. Schon am Freitag sank das Pfund auf 15.5 LE ab. Zuvor hatte die Zentralbank die angeschlagene Währung stabil bei rund 8.8 LE pro Dollar gehalten während der Schwarzmarktpreis für einen US-Dollar Anfang der Woche auf ganze 18 LE angestiegen war.

Die Zentralbank musste den Wechselkurs freigeben, da sie ihn nicht mehr verteidigen konnte, meint auch Stephan Roll, Volkswirt und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Der Regierung wäre eine moderate Abwertung deutlich lieber gewesen, doch das wäre nur bei robusten Devisenreserven der Zentralbank möglich gewesen. Roll geht davon aus, dass der lange erwartete Schritt der CBE eng mit der Militärführung abgesprochen war. Diese ließ kurz vor Einführung des freien Wechselkursregimes öffentlichkeitswirksam Lebensmittelpakete vorbereiten, eine Maßnahme, die sozialpolische Folgen der Abwertung abdämpfen solle, so Roll.

Die Inflation dürfte derweil nach der Einführung freier Wechselkurse weiter angeheizt werden. Im August lag sie bereits bei rund 15 Prozent, die Preissteigerungen bei Obst und Gemüse erreichten gar 36 Prozent. Grundnahrungsmittel wie Zucker werden bereits knapp. In den letzten Wochen litt das Land unter einer akuten Zuckerkrise, vielerorts war nicht einmal mehr Zucker zu Marktpreisen erhältlich. Auch das Streichen der Subventionen sorgte zuletzt immer wieder für Unmut und sogar Spontanproteste. Kairo reagierte bereits und pumpt fortan zusätzlich Lebensmittelsubventionen für einkommensschwache Haushalte in den Markt. Die Einfuhrzölle auf Zucker wurden gestrichen.

Gewinner der jüngsten fiskalpolitischen Maßnahme sei derweil Zentralbankchef Tarek Amer, glaubt Roll. Denn der ambitionierte Banker könnte von Al-Sisis Gegnern als Kompromisskandidat für das höchste Staatsamt akzeptiert werden. Dieser steht auch regimeintern in der Kritik und hat angesichts der Wirtschaftskrise im Land stark an Ansehen verloren. Der aus einer einflussreichen und der Armee nahe stehenden Familie stammende Amer hingegen könnte sich als als Alternative zu Al-Sisi ins Spiel bringen, sollte die Wechselkursfreigabe halbwegs erfolgreich verlaufen, meint Roll. Da er bereits sehr früh die Wechselkurspolitik seines Vorgängers kritisierte, könne man ihn kaum für die aktuelle Krise verantwortlich machen. Zudem habe er kein Blut an den Händen.

© Sofian Philip Naceur 2016

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