Gähnende Leere in Urlaubsorten – So sehr belastet die Touristenflaute Ägypten

Ägyptens Tourismussektor steckt nach dem Terroranschlag auf ein russisches Passagierflugzeug im Oktober 2015 in einer existentiellen Krise. Die Besucherzahlen brechen ein, Airlines meiden das Land. Das Fernbleiben der Touristen droht Ägyptens Wirtschaft in den Abgrund zu ziehen.

Märchenhafte Berg- und Dünenlandschaften, Traumstrände soweit das Auge reicht und hunderte Korallenriffe direkt unter der Wasseroberfläche. Ein Paradies für Pauschal- und Strandtouristen, aber auch für Taucher und Wassersportler. Doch auch die Pyramiden von Gizeh und Ägyptens unzählige altägyptische Tempel, die sich von der ägyptisch-sudanesischen Grenze im Süden bis hin nach Kairo im Norden praktisch aneinander reihen, lockten Millionen Urlauber an den Nil, schafften Jobs und brachten die von der lokalen Wirtschaft so dringend benötigten Devisen ins Land (erschienen bei n-tv Online am 13.8.2016).

Heute jedoch steckt die Tourismusbranche in einer handfesten Rezession. Die Besucherzahlen sind eingebrochen, Hotels und Strände verlassen. Die Regierung versucht zwar händeringend das Vertrauen in die Sicherheit wiederherzustellen und neue Märkte zu erschließen, aber bislang vergeblich. Im ersten Halbjahr sank die Zahl der Touristen im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent auf nunmehr rund drei Millionen. 2010 besuchten stolze 15 Millionen Urlauber das Land, ein Allzeitrekord.

Doch zu oft haben Negativschlagzeilen in den vergangenen Jahren zu Massenstornierungen im Tourismusgewerbe geführt. Das Misstrauen gegenüber der fragilen Sicherheitslage im Land sitzt tief. Vor allem nach dem Anschlag auf eine russische Passagiermaschine im Oktober 2015, die kurz nach dem Start im Badeort Scharm Al-Scheikh über der Sinaihalbinsel explodierte und alle 224 Menschen an Bord mit in den Tod riss.

Der Anschlag auf das Flugzeug, für den sich die Terrorgruppe Wilayat Sina (Arabisch für Provinz Sinai) verantwortlich zeigte, traf die Branche weit härter als der Ausbruch der Revolution 2011 und der Militärputsch gegen die islamistische Regierung von Ägyptens Expräsident Mohamed Mursi im Sommer 2013, richtete sich die Gewalt doch direkt gegen ausländische Urlauber. Vor allem die Hotels im Südsinai sind seither wie leer gefegt. Russland stellte nach dem Anschlag alle Flugverbindungen nach Ägypten ein. Auch britische und deutsche Airlines fliegen Scharm Al-Scheikh nicht mehr an – aus Sicherheitsgründen. Denn die Bombe, die die Maschine über dem Sinai zerriss, wurde offenbar am Flughafen in Scharm Al-Scheikh in den Airbus geschmuggelt.

Seither arbeitet Ägyptens Regierung fieberhaft daran, das Vertrauen in die Flughafensicherheit im Land wiederherzustellen. Auch die deutsche Bundespolizei steht Kairo dabei beratend zur Seite. Doch bislang warten Hotels im eigentlich so idyllischen Südsinai vergeblich auf Gäste.

„Vor allem Touristen aus Russland haben uns sehr geholfen als das Geschäft nach der Revolution 2011 eingebrochen ist“, meint Ibrahim Zeid, der in der Kleinstadt Dahab 90 Kilometer nördlich von Scharm Al-Scheikh ein Hotel an der Strandpromenade betreibt. Doch seit dem Anschlag auf die russische Maschine bleiben auch die russischen Urlauber aus, die zuvor über 40 Prozent der Gäste in Dahab ausmachten.

In Zeids Blue Beach Hotel herrscht auch rund neun Monate nach dem Anschlag gähnende Leere. Einzig an Feiertagen füllt sich die Strandpromenade mit ihren Restaurants und Bars mit Gästen. Doch es kommen keine Ausländer, sondern Ägypter, die inzwischen vermehrt im Sinai Urlaub machen und damit zumindest einen Teil der ausbleibenden Einnahmen kompensieren. Doch für die hier lebenden Beduinen, die fast ausschließlich vom Tourismus abhängig sind, ist das kein gutes Geschäft. Ägypter machen sich nicht viel aus Beduinenkultur, erzählt Mohamed Soleiman, der das Marine Garden Camp im Stadtzentrum Dahabs betreibt. „Oft lassen sie den ganzen Tag das Licht an und die Klimaanlage laufen und haben einfach kein Bewusstsein dafür, dass Strom hier auf dem Sinai noch knapper ist als im Rest des Landes“, beschwert er sich. Familien, die Übernachtungen in den Bergen inklusive traditionellem Beduinendinner anbieten, gehen leer aus. Auch zahlen ägyptische Gäste einfach weniger als Europäer. Kein Wunder also, dass die Einnahmen aus dem Tourismus im ersten Quartal 2016 auf den tiefsten Stand seit 1998 gefallen sind.

Das Ausblieben ausländischer Urlauber dürfte derweil noch eine Weile anhalten, denn neben der Flugzeugkatastrophe hagelte es für den Tourismus im Land im letzten Jahr Hiobsbotschaften am Fließband. Im Herbst 2015 eröffnete ein ägyptischer Militärhelikopter versehentlich das Feuer auf eine mexikanische Touristengruppe und tötete dabei zwölf Menschen. Dieses Jahr folgten die Entführung einer Maschine der ägyptischen Fluglinie Egypt Air nach Zypern, der Absturz eines weiteren ägyptischen Flugzeugs über dem Mittelmeer mit 66 Toten und die Haiattacke auf einen Badegast in Ain Shukhna im Roten Meer. Alles keine gute Werbung für das Urlaubsparadies am Nil.

Unterdessen hat die Krise des Tourismusstandorts Ägypten gravierende Folgen für das gesamte Land. Denn die Branche trug nicht nur rund zwölf Prozent zur Wirtschaftsleistung bei und stellte geschätzte 25 Prozent der landesweiten Arbeitsplätze bereit, sondern brachte auch dringend benötigte Devisen ins Land. Der Tourismus war einst eine der wichtigsten Einnahmequellen für US-Dollar, die angesichts der Abhängigkeit Ägyptens von Waren- und Nahrungsmittelimporten unersetzlich für die Wirtschaft des Landes sind. Auch dank der Krise im Tourismusgewerbe ist Ägypten praktisch pleite und sah sich gezwungen den Internationalen Währungsfond (IWF) um Milliardenkredite zu bitten. Das erst vor wenigen Tagen festgezurrte Kreditpaket mit dem IWF dürfte der Wirtschaft zwar mittelfristig wieder Leben einhauchen, doch sollten die ausländischen Touristen langfristig fernbleiben, bewegt sich das Land abermals auf unruhige Zeiten zu.

© Sofian Philip Naceur 2016

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