Ägypten tötet IS-Anführer im Sinai

Wieder einmal verkündet Ägyptens Armee die erfolgreiche Tötung des Anführers von Wilayat Sina (Provinz Sinai), der größten auf ägyptischem Boden operierenden radikalislamistischen Terrorgruppe. Der angebliche Anführer der gewaltbereiten Miliz, Abu Doaa Al-Ansary, sei gemeinsam mit 45 weiteren Aufständischen bei einem Luftangriff nahe der Stadt Al-Arish im Nordsinai getötet worden, erklärte Armeesprecher Mohamed Samir bereits am Donnerstag in einer offiziellen Stellungnahme. Die von ägyptischen Anti-Terror-Einheiten und der Luftwaffe durchgeführte Operation habe auch ein Waffenlager zerstört, heißt es weiter (erschienen in junge Welt am 10.8.2016).

Nur drei Tage zuvor hatte die Organisation ein neues Video veröffentlicht, in dem sie sich mit der Ermordung zweier ägyptischer Soldaten brüstet, die angeblich während eines Angriffs auf einen Checkpoint in Al-Arish im März entführt worden seien. Der rund 35 minütige martialisch produzierte Film „Flammen der Wüste“ zeigt Mitglieder der Gruppe mit Panzerabwehrraketen sowie Aufnahmen von Angriffen der Islamisten auf die Armee. Ungewöhnlich für die Propagandamaschinerie der Islamisten ist die direkte Drohung in Richtung Israel. Das Land werde „einen hohen Preis bezahlen“, heißt es in dem Video.

Die Veröffentlichung des Films dürfte den Machthabern in Kairo kaum gefallen, zeigt es doch, dass die Miliz auch weiterhin in der Lage ist, ihr professionell produziertes Propagandamaterial unter die Leute zu bringen. Zuletzt hatten Ägyptens Militär und die Regierung wiederholt betont, die angespannte Lage in der Provinz im Osten des Landes an der Grenze zum palästinensischen Gazastreifen habe sich beruhigt.

Wilayat Sina führt im Norden der dünn besiedelten und wirtschaftspolitisch marginalisierten Halbinsel einen bewaffneten Guerillakrieg gegen den ägyptischen Staat und greift immer wieder Checkpoints und Patrouillen an. Das Regime in Kairo lancierte 2013 eine Kampagne gegen die Islamisten und ließ schweres Gerät in die Region verlegen. Bisher jedoch vergeblich. Die Gruppe, die zuvor unter dem Namen Ansar Beit Al-Makdis (Helfer des Hauses Jerusalem) für Schlagzeilen sorgte, nennt sich seit Herbst 2014 Wilayat Sina und erklärte ihre Loyalität zur radikalislamistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die Teile Syriens und des Iraks kontrolliert. Wilayat Sina brüstet sich mit zahlreichen Anschlägen im Nordsinai, aber auch im Nildelta und übernahm die Verantwortung für den Absturz eines russischen Passagierflugzeugs im Oktober 2015 mit 224 Toten.

Derweil wurde Samirs Erklärung von ägyptischen und internationalen Medien mit Skepsis aufgenommen. Denn der Name Abu Doaa Al-Ansary taucht in Samirs Erklärung das erste Mal in der Öffentlichkeit auf. Seit 2014 hatte die Armee mehrfach die Tötung angeblicher Anführer von Ägyptens IS-Ableger bekanntgegeben, eine Bestätigung der Organisation blieb jedoch jedes Mal aus.

Die von der Armee veröffentlichten Informationen zur Lage im Nordsinai können zudem kaum nachgeprüft werden. Korrespondenten ist der Zugang zu der hermetisch abgeriegelten Provinz versperrt und auch lokale Journalisten können vor Ort nur sehr eingeschränkt arbeiten. Das Militär verfügt deshalb faktisch über ein Nachrichtenmonopol, versorgt die Öffentlichkeit allerdings nur sehr selektiv mit Informationen.

Dass Ägyptens Armee und ägyptische Medien, die sich auf lokale Anwohner berufen, abweichende Angaben zu Opferstatistiken und Entwicklungen in der Provinz zu Protokoll geben, überrascht daher wenig. Um der Dominanz offizieller Erklärungen etwas entgegenzusetzen, setzen in der Provinz ansässige Amateurreporter zunehmend auf Gegenöffentlichkeit in sozialen Netzwerken. Die 2013 lancierte Facebookseite Sinai News 24 ist dabei eine Art Speerspitze in dem Bemühen, das Nachrichtenmonopol der Armee aufzubrechen. Die meist anonym verfassten Beiträge zeichnen nicht nur ein von offiziellen Erklärungen abweichendes Bild der Lage, sondern versorgen die Presse zudem mit Informationen über Opfer des Krieges zwischen Armee und Islamistenmiliz.

© Sofian Philip Naceur 2016

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