Proteste für und gegen Präsident Al-Sisi in Berlin

Der umstrittene Deutschland-Besuch des autoritär regierenden Präsidenten Ägyptens Abdel Fattah Al-Sisi endete im Eklat für die Bundesregierung, während Ägyptens Regime versucht aus der Visite Al-Sisis in Berlin politisches Kapital zu schlagen. Tumulte im Bundeskanzleramt nach der gemeinsamen Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem despotischen Gast aus Kairo, Eklat bei einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsabgeordneten Dr. Franziska Brantner und Omid Nouripour zur Menschenrechtslage in Ägypten und peinliche Jubelägypter in der Berliner Innenstadt. Ägyptens Staatschef bot alles auf, um seinen ersten offiziellen Deutschland-Besuch zu einem Triumphzug werden zu lassen. Derweil zogen Regimeunterstützer, Anhänger der Mitte 2013 gewaltsam entmachteten Muslimbruderschaft und linke Aktivisten auf die Straße in Berlin und protestierten für und gegen den kontroversen Besuch des ägyptischen Autokraten vom Nil (erschienen in Junge Welt am 5.6.2015).

Schon am Dienstag versammelten sich rund 100 Anhänger Al-Sisis in der Berliner Innenstadt und jubelten dem Präsidenten zu, während eine kleine Gruppe den Muslimbrüdern nahe stehender Demonstranten auf die autokratischen Züge von Ägyptens Regime aufmerksam machte und Bilder des gestürzten Exstaatschefs Mohamed Mursi in die Höhe hielt. Unweit des Bundeskanzleramtes protestierten am Mittwoch Anhänger sowie Gegner von Präsident Al-Sisi. Hundert zumeist dem islamistischen Lager angehörige Demonstranten machen lautstark gegen den Berlin-Besuch Al-Sisi mobil während Anhänger des Regimes in Kairo mit Musik und Tanz den Empfang Al-Sisi durch die Bundesregierung feierten. „Wir fordern, dass Diktatoren nicht von der Bundesregierung empfangen werden. Das widerspricht demokratischen Werten“, sagt ein aus Hamburg angereister Demonstrant des Al-Sisi-kritischen islamistischen Lagers nahe des Kanzleramtes gegenüber jW und fügt wenig glaubwürdig hinzu man habe nichts mit der islamistischen Muslimbruderschaft zu tun.

Auch die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen ist präsent und macht auf die kritische Lage von Journalisten in Ägypten aufmerksam. Nach Angaben der Menschenrechtler sitzen derzeit mindestens 18 Reporter in Ägypten hinter Gittern. Bereits am Vormittag hatten ägyptische Linke am Gebäude der TU Berlin nahe des Ernst-Reuter-Platz ein Banner aufgehängt und damit ihre strikte Ablehnung des Besuches von Al-Sisi zum Ausdruck gebracht. Am Nachmittag versammelten sich vor dem Verteidigungsministerium rund 80 Protestler aus dem linksliberalen Lager und demonstrierten gegen Ägyptens Präsidenten und sein autoritäres Regime in Kairo. Der LINKE-Aktivist aus Berlin-Friedrichshagen Frank Renken warf derweil der Bundesregierung vor Al-Sisi gar zu noch mehr „Staatsterror“ zu ermutigen. „Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck kritisieren zwar die Todesstrafe in Ägypten, aber rollen dem Henker gleichzeitig den roten Teppich aus. Al-Sisi wird sogar mit militärischen Ehren empfangen! Mehr Heuchelei geht gar nicht“, so Renken weiter.

In der Tat kritisierte Merkel zwar die Anwendung der Todesstrafe in Ägypten, betonte aber gleichzeitig die Konsultationen mit dem Regime in Kairo seien nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich wichtig für die Bundesrepublik. Dennoch bot die Kanzlerin mit ihrem Festhalten am Staatsbesuch Al-Sisis in Berlin dem Autokraten eine politische Bühne und ermöglichte ihm diese propagandistisch auszuschlachten. Berlin zeigt der geknechteten und verfolgten ägyptischen Opposition, dass ihr ein diktatorisch regiertes und partiell stabiles Ägypten weitaus wichtiger ist als die konsequente Einhaltung der Menschenrechts in Ägypten.

© Sofian Philip Naceur 2015

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