Neue Details zu Polizeiabkommen mit Ägypten

Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag neue Details zur geplanten polizeilichen Kooperation mit Ägyptens autoritärem Militärregime, betont jedoch, ein Unterzeichnungstermin sei nicht absehbar. Demnach sind in die Zusammenarbeit mit Ägypten nicht nur Polizeibehörden wie das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei involviert, sondern auch Geheimdienste. An dem „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema Terrorismus-/Extremismusbekämpfung“ nehmen demnach auch der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz teil (erschienen in Junge Welt am 27.5.2015).

Nachdem die Bundesregierung bisher nur sehr vage angedeutet hatte, dass das Polizeiabkommen auch auf eine intensivere Kooperation mit Ägypten im Kampf gegen die so genannte illegale Migration zielt, bestätigt Berlin in der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion erste konkrete Ausbildungsmaßnahmen in diesem Bereich. Die „intensivere Zusammenarbeit im Verantwortungsbereich der Bundespolizei“ sei „insbesondere auf die Bekämpfung von Schleuserkriminalität“ ausgerichtet, heißt es. Geplant seien „drei Schulungen zur Urkunden- und Dokumentensicherheit und eine Schulung zum Thema Grenzkontrolle und Rückführungen.“

Ein Teil der Ausbildungshilfen für ägyptische Sicherheitskräfte sind ferner Maßnahmen zur „polizeilichen Aufgabenerfüllung bei Großveranstaltungen“, die darauf abzielen Unfälle wie die Massenpanik vor einem Kairoer Fußballstadion Anfang Februar, bei dem 22 Fußballfans getötet wurden, zukünftig zu verhindern. Im Rahmen des DFB-Pokalfinales in Berlin am 30. Mai sollen nach Angaben der Bundesregierung Vertreter des ägyptischen National Security Sectors zu Hospitationszwecken anwesend sein. Doch auch politisch neutral wirkende Maßnahmen wie Ausbildungshilfen im Absichern von Fußballspielen sind politisch hochbrisant. Erst vor einer Woche hatte ein ägyptisches Gericht Fußballfangruppen wie die Ultras der beiden Kairoer Spitzenteams Al-Ahly und Zamalek SC gerichtlich verboten und zu „terroristischen Vereinigungen“ erklärt.

Besonders pikant in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage ist jedoch der Umgang Berlins mit der in Ägypten gebrauchten Definition von „Terrorismus“. Die Bundesregierung zitiert ein ägyptisches Gesetz, dass eine Terrorvereinigung als Entität einstuft, „die in irgendeiner Weise die öffentliche Sicherheit oder Ordnung stört oder die Interessen der Bevölkerung bedroht.“ Diese vage Definition wird von Ägyptens Justiz und der Regierung nicht nur gegen gewaltbereite Gruppen eingesetzt, sondern auch gegen oppositionelle Vereinigungen wie die liberale Jugendbewegung des 6. April, gegen die derzeit ein Verbotsverfahren läuft. Und Berlin ist diese umstrittene Praxis durchaus bekannt. „Der umfassende Terrorismusbegriff des Gesetzes ist aus Sicht der Bundesregierung unverhältnismäßig und wird sowohl von Sicherheitsbehörden als auch der Justiz immer wieder auch im Kontext von Demonstrationen gebraucht“, heißt es aus Berlin. Dennoch will die Bundesregierung die Kooperation mit Kairo im Anti-Terror-Kampf ausbauen und nimmt damit billigend in Kauf, dass Ägyptens Anti-Terror-Gesetze auch gegen Oppositionelle und Proteste angewendet werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält derweil weiter an dem für Anfang Juni geplanten Besuch von Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi in Berlin fest, obwohl selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ein geplantes Treffen mit ihm abgesagt hatte. Aufgrund der angespannten Menschenrechtslage am Nil gäbe es keine Basis für ein Gespräch mit Ägyptens Präsident, so Lammert. Der Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag Andrej Hunko fordert daher Al-Sisis Staatsbesuch in Berlin abzusagen und die Polizeikooperation mit Ägypten umgehend zu annullieren. Auf seiner Internetseite schreibt Hunko weiter: „Werden tatsächlich wie geplant ägyptische Aufstandsbekämpfungseinheiten im Olympiastadion geschult, macht sich die Bundesregierung zum Komplizen des brutalen Regimes.“

© Sofian Philip Naceur 2015

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