Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeiner reiste am Sonntag zu politischen Gesprächen in Ägyptens Hauptstadt Kairo und traf sich mit seinem Amtskollegen Sameh Shoukry und Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi. Im Vorfeld des Besuches erklärte Steinmeier er wolle sich „ein Bild davon machen wo Ägypten heute in dem Transformationsprozess steht, den es 2011 eingeschlagen hat.“ Zudem wolle er in Erfahrung bringen „welche Vorstellungen die Regierung von Präsident Al-Sisi hat, wie das Land nach Jahren scharfer politischer Auseinandersetzungen zu Versöhnung und Stabilität finden kann.“ Neben bilateralen Fragen ging es bei den Gesprächen auch um regionale Konflikte wie den Krieg in Syrien und Irak und die anhaltende Krise in Libyen (erschienen in Junge Welt am 5.5.2015).
Zu Beginn seines Besuches traf Steinmeier mit Vertretern der im Land operierenden deutschen politischen Stiftungen zusammen, ein seit Jahren beherrschendes Thema in den deutsch-ägyptischen Konsultationen. Im Dezember 2011 war die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung von Ägyptens Militärregierung geschlossen worden. Die Verurteilung mehrerer Mitarbeiter der Stiftung im Juni 2013 zu mehrjährigen Haftstrafen löste damals einen Sturm der Entrüstung aus. Aufgrund der unsicheren Rechtslage sah die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung letztlich davon ab ihr neues Büro in Kairo zu eröffnen und wich nach Tunesien aus.
Steinmeier betonte ein wichtiges Thema der Gespräche sei die „terroristische Bedrohung“, mit der das Land auf der Sinai-Halbinsel und an seiner Grenze zum bürgerkriegsgeplagten Nachbarland Libyen konfrontiert sei. „Mit militärischen und polizeilichen Mitteln allein wird der Terror nicht zu besiegen sei, unsere Antwort muss auch eine politische sein“, sagte Steinmeier der ägyptischen Zeitung Al-Masry Al-Youm. „Extremismus gedeiht dort, wo Menschen von politischer und wirtschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Dauerhafte Stabilität gibt es nur, wenn ein möglichst breiter Teil der Gesellschaft in den politischen Prozess einbezogen wird und an der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes teilhat“, erklärte Steinmeier weiter.
Steinmeiers Visite in Kairo dürfte auch der Vorbereitung des für Anfang Juni geplanten Besuches Al-Sisis in Berlin dienen. War eine Einladung des autokratisch regierenden Staatschef Ägyptens nach Berlin zu Beginn noch an Bedingungen geknüpft, hat die Bundesregierung offenbar zu ihrem pragmatischen Kurz gegenüber dem Regime in Kairo zurückgefunden. Weder gibt es eine Lösung im Streit um die politischen Stiftungen, noch existiert am Nil ein gewähltes Parlament. Die für März 2015 geplante Parlamentswahl wurde erneut verschoben. Derweil regiert Al-Sisi faktisch im Alleingang und verabschiedet Gesetze ausschließlich mittels Präsidialdekreten. Während die Bundesregierung zwar weiterhin betont Druck auf die politische Führung in Ägypten auszuüben in Menschenrechtsfragen endlich internationale Standards zu erfüllen, bauen deutsche Unternehmen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Land massiv aus. Zudem bestätigte die Bundesregierung erst im April erste konkrete Details eines geplanten Polizeiabkommens mit Ägypten. Das Bundeskriminalamt habe bereits mit der Ausbildung von Mitarbeitern ägyptischer Sicherheitsbehörden begonnen, obwohl das ägyptische Innenministerium Menschenrechtsstandards auch weiterhin konsequent ignoriert.
Mit dem Steinmeier-Besuch in Kairo setzt Al-Sisi derweil seine Charmeoffensive in Europa fort. Ende April reiste Ägyptens Präsident zu Gesprächen nach Griechenland und signierte während seines Besuches in Madrid ein Sicherheitsabkommen mit Spanien. Dabei ging es insbesondere um die Verbrechensbekämpfung und Fragen der regionalen Sicherheit. Europäische Regierungen sind derzeit äußerst empfänglich für derlei Abkommen, ist die EU doch aufgrund der Instabilitäten in Libyen auf Kairos Kooperation im Kampf gegen die sogenannte „illegale Migration“ zwingend angewiesen, will sie an ihrer restriktiven Abschottungspolitik im Mittelmeerraum festhalten. Damit hilft sie Ägyptens Regime jedoch sein zügelloses Machtstreben im Inland fortzusetzen und weite Teile der Gesellschaft aus dem politischen Leben auszuschließen.
© Sofian Philip Naceur 2015