Ägyptens Expräsident zum Tode verurteilt

Hunderte Todesurteile hat Ägyptens Justiz bereits gegen Anhänger der verbotenen und von der ägyptischen Regierung als Terrororganisation eingestuften islamistischen Muslimbruderschaft ausgesprochen. Nun hat es auch den 2013 gewaltsam abgesetzten und seither inhaftierten Expräsidenten Ägyptens Mohamed Mursi erwischt. Der Kairoer Strafgerichtshof verurteilte Mursi und 105 weitere Angeklagte zum Tode durch den Strang. Unter den Verurteilten ist auch der bereits mehrfach zum Tode verurteile Anführer und Chef der Muslimbruderschaft Mohamed Badie sowie weitere führende Mitglieder der Organisation. Den Angeklagten wird vorgeworfen während der ägyptischen Revolution von 2011 aus dem Gefängnis in Wadi Natroun ausgebrochen zu sein. Damals waren landesweit dutzende Haftanstalten von meist islamistischen Demonstranten gestürmt worden. Tausende Menschen kamen frei. Den Angeklagten wird versuchter Mord an Polizisten, das Anzünden von Regierungsgebäuden und Gefängnisausbruch zur Last gelegt (erschienen in Junge Welt vom 18.5.2015).

Bei dem Richterspruch handelt es sich jedoch um ein vorläufiges Verdikt, da Todesurteile am Nil zwingend vom ägyptischen Großmufti, der höchsten religiösen Autorität im Land, bestätigt werden müssen. Dessen Empfehlungen sind juristisch zwar nicht bindend für die Gerichte, werden in der Regel aber befolgt. Zuletzt hatte Großmufti Shawki Ibrahim Allam mehrfach Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt und stets nur einzelne von der Justiz ausgesprochene Todesstrafen genehmigt. Mit einem abschließenden Urteil im Wadi Natroun-Fall wird Anfang Juni gerechnet. Sollte der Mufti das Todesurteil gegen Mursi bestätigen, wäre der Exstaatschef das erste ägyptische Staatsoberhaupt überhaupt, dem eine Todesstrafe droht.

In einem weiteren Gerichtsverfahren, in dem sich insgesamt 35 Beschuldigte wegen angeblicher Spionage für ausländische Mächte rechtfertigen müssen, sprach der Kairoer Strafgerichtshof vorläufige Todesstrafen gegen 16 Angeklagte aus. Unter ihnen befinden sich mehrere führende Mitglieder der Muslimbruderschaft wie Mohamed Beltagy und Khairat Al-Shater. Auch Mursi wird in dem Fall beschuldigt Informationen an die palästinensische Hamas, historisch ein Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, sowie die libanesische Hizbullah und Irans Revolutionsgarden weitergegeben zu haben. Auch das Golfemirat Katar, ein wichtiger Verbündeter der ägyptischen Muslimbrüder, wird als Komplize der Angeklagten in dem Fall genannt. Die Richtersprüche müssen gleichermaßen vom Großmufti abgesegnet werden bevor sie rechtskräftig werden.

Mursi wurde bereits im April zu 20 Jahren Hochsicherheitsverwahrung verurteilt. In dem Prozess wurde ihm vorgeworfen im Dezember 2012 zu Gewalt gegen eine Muslimbrüder-kritische Demonstration aufgerufen zu haben und für den Tod von mindestens zehn Demonstranten verantwortlich zu sein.

Die in der britischen Hauptstadt London sitzende Exilführung der Muslimbruderschaft verurteilte in einer Stellungnahme den jüngsten Richterspruch aufs Schärfste und bezeichnete das Urteil als politisch motiviert. Ägyptens Justiz sei „korrupt“, das Todesurteil gegen Mursi und seine Mitangeklagten „absurd“. Das Verfahren gegen Mursi wird in der Stellungnahme als „Parodie“ bezeichnet und zeige, dass das herrschende Regime in Kairo „westliche Rechtswissenschaften und demokratische Regierungsformen“ ablehne. Die Londoner Exilführung der Bruderschaft ist im Nahen Osten zunehmend isoliert und versucht auch daher europäische Regierungen verstärkt dazu zu bringen mäßigend auf das in Kairo regierende Militärregime einzuwirken. Andererseits droht die Bruderschaft weiter mit Protesten, sollte die politisch motivierte Kampagne der ägyptischen Justiz gegen die Führungskader der Organisation in Ägypten nicht eingestellt werden.

Doch auch internationale Menschenrechtsorganisationen kritisierten das jüngste Urteil gegen Mursi. Amnesty International bezeichnete das Urteil als „Farce“ und fordert ein faires und transparentes Revisionsverfahren.

© Sofian Philip Naceur 2015

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