Ägypten: 500 Tage ohne Anklage inhaftiert – Der Fall Mahmoud Abu Zeid

Die Menschenrechtslage in Ägypten bleibt weiterhin angespannt. 18 Monate nach dem Militärputsch gegen den islamistischen Expräsidenten Mohamed Mursi im Juli 2013 und sechs Monate nach der Wahl Abdel Fattah Al-Sisi zum neuen von der Armee unterstützten Staatspräsidenten hat sich das Land politisch stabilisiert, doch das Regime geht weiter konsequent gegen Opposition und Presse vor. Die Justiz fungiert als verlängerter Arm von Regierung und Militärapparat und verkündet ein politisch motiviertes Urteil nach dem anderen. Derweil bleiben die Gefängnisse überfüllt. Schätzungen zufolge sollen seit Juli 2013 rund 41000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert worden sein (erschienen in Junge Welt am 31.12.2014).

Unter ihnen befindet sich auch der ägyptische Photojournalist Mahmoud Abu Zeid, genannt Shawkan. Der 27Jährige wurde am 14. August 2013 während der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers der Muslimbruderschaft an der Rabaa Al-Adawija Moschee im Osten Kairos verhaftet und sitzt seither ohne formelle Anklage im Hochsicherheitsgefängnis Tora in Süd-Kairo in Haft. Shawkan wurde gemeinsam mit dem französischen Photografen Louis Jammes von Sicherheitskräften verhaftet nachdem sie sich als Journalisten ausgewiesen hatten. Beide berichten davon geschlagen worden zu sein.

Während die meisten der im Zuge der Räumung verhafteten ausländischen Reporter nach Verhören wieder freigelassen wurden, verblieben ägyptische Journalisten meist in Haft. Nach Angaben von Shawkans Bruder Mohamed Abu Zeid wurde Shawkan am 16. August kurz nach seiner Festnahme verhört. Seither habe es keine weiteren Befragungen seitens der Behörden gegeben. In einem Ende Dezember veröffentlichten offenen Brief schreibt Shawkan er sei mittlerweile über 500 Tage inhaftiert, seine Untersuchungshaft werde alle 45 Tage erneuert. Dennoch gebe es immer noch keine offizielle Anklage gegen ihn, bestätigt die ägyptische Journalistin Shaima Abu Khair. Shawkan werde beschuldigt zu Gewalt aufgerufen zu haben und Mitglied der inzwischen verbotenen und als Terrorvereinigung deklarierten Muslimbruderschaft zu sein, teilt seine Familie mit. Derlei Anklagen werden in Ägypten immer wieder mit der Todesstrafe geahndet.

Beweise für die Anschuldigungen gebe es nicht. Familie und Kollegen Shawkans und die in London ansässige Photoagentur Demotix, für die Shawkan zuletzt gearbeitet hatte, haben den Behörden mehrfach schriftlich mitgeteilt, dass er als freier Journalist tätig war und in dieser Funktion über die Räumung Rabaas berichten wollte. Anstrengungen seines Anwalts und der US-Menschenrechtsorganisation Commitee to Protect Journalists (CPJ) Shawkans Freilassung zu erwirken liefen ins Leere. Über Gründe für Shawkans anhaltende Präventivhaft kann nur spekuliert werden, da sich die Behörden zu dem Fall nicht äußern. Sein Fall sei Teil des Rabaa-Prozesses, die Staatsanwaltschaft habe den Fall immer noch nicht an die Gerichte übergeben, sagt Abu Khair. „Die Behörden haben gegen viele im Zuge der Räumung von Rabaa verhaftete Personen keine Beweise, daher wird der Beginn des Verfahrens hinausgezögert“, sagt sie. Der letzte auf Kaution freigelassene Angeklagte im Rabaa-Fall sei der Al Jazeera Journalist Abdullah Al-Shamy gewesen. Al-Shamy wurde ebenso wie Shawkan im Zuge der Räumung von Rabaa verhaftet und erst im Juni 2014 nach einem fünfmonatigem Hungerstreik aus gesundheitlichen Gründen freigelassen.

Ägypten zählt nach wie vor weltweit zu den Ländern, in denen die meisten Verstöße gegen Meinungs- und Pressefreiheit registriert werden. Nach Angaben des CPJ sitzen in Ägypten derzeit insgesamt zwölf Journalisten im Gefängnis. Während gegen die meisten offiziell Anklage erhoben und wie im Falle der drei inhaftierten Mitarbeiter des englischsprachigen Ablegers von Al Jazeera Peter Greste, Mohamed Fahmy und Baher Mohamed drakonische Freiheitsstrafen verhängt wurden, warten Shawkan und der ägyptische Photojournalist Ahmed Gamal weiterhin auf die Einleitung eines offiziellen Verfahrens. Gamal wurde im Dezember 2013 bei gewaltsamen Zusammenstöße zwischen islamistischen regimekritischen Studenten und Sicherheitskräften verhaftet und sitzt seither hinter Gittern.

© Sofian Philip Naceur 2014

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