Rund zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl kündigte Algeriens amtierender Staatspräsident und Chef der Regierungspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) Abdelaziz Bouteflika offiziell an bei dem Urnengang am 17. April antreten zu wollen. Schon im Herbst 2013 hatte der Bouteflika-Vertraute und FLN-Generalsekretär Amar Saïdani Bouteflikas Kandidatur öffentlich verkündet und damit den Machtkampf in der FLN angeheizt. Der seit 1999 an der Staatsspitze stehende Bouteflika selbst schwieg seither konsequent. Zuletzt rissen die Spekulationen über den Gesundheitszustand des 76 Jährigen nicht ab. Im Frühjahr 2013 verbrachte er nach einem Schlaganfall rund drei Monate in einem französischen Militärkrankenhaus und ist seit seiner Rückkehr nach Algier kein einziges Mal öffentlich aufgetreten. Die Verkündung seiner Kandidatur überließ Bouteflika seinem Premierminister Abdelmalek Sellal, der am Samstag bei einer Pressekonferenz im westalgerischen Oran Bouteflikas Kandidatur offiziell bekannt gab und damit das monatelange Warten auf ein Zeichen des Staatschefs beendete. Sellal betonte zudem, Bouteflika erfreue sich bester Gesundheit (erschienen in Junge Welt am 25.2.2014).
In der FLN brodelt es derweil munter weiter. Saïdani, dessen Wahl zum Generalsekretär im August 2013 von zahlreichen Kräften im Parteiapparat der FLN nach wir vor nicht anerkannt wird, fungiert seit Monaten als provokanter Wortführer des aus West-Algerien stammenden Bouteflika-Clans innerhalb der FLN und hat die Gräben in der mächtigsten Partei des Landes massiv vertieft. Während Gegner Bouteflikas weiterhin die Absetzung Saïdanis fordern, bekunden immer mehr FLN-Kader ihre Unterstützung für Ali Benflis bei der anstehenden Präsidentschaftswahl. Benflis, in Bouteflikas erster Amtszeit kurzweilig Premierminister und FLN-Generalsekretär, trat nach jahrelangem Schweigen im Dezember erstmals wieder öffentlich auf und erklärte im Januar offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im April. Benflis trat bereits 2004 gegen Bouteflikas an, unterlag jedoch deutlich und zog sich aus der Politik zurück. Benflis, der noch immer FLN-Mitglied ist, sicherte sich zügig die Rückendeckung zahlreicher Kräfte aus dem FLN-Zentralkomitee und anderer Parteien und ist Bouteflikas einzig ernstzunehmender Gegenkandidat um das höchste Staatsamt.
Algeriens Opposition reagierte mit Erstaunen auf Bouteflikas Kandidatur. Der Vorsitzende der Partei Neue Generation und erklärte Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2014 Soufiane Djilali bezeichnete Sellal als „Sprecher des Fantom-Kandidaten“, während der Vorsitzende der islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung Abdallah Djaballah den Schluss zieht Bouteflika sei entweder ernsthaft krank wenn er nicht mal zu einer öffentlichen Ankündigung fähig sei oder die Wahl werde absolut intransparent sein. Urnengänge in Algerien gelten als massiv gefälscht, die Ergebnisse im Vorfeld hinter verschlossenen Türen ausgehandelt.
Bouteflikas Kandidatur ist auch bemerkenswert, da sich sein Vertrauter Saïdani nicht nur mit ihren Gegnern in der FLN angelegt hatte, sondern Anfang Februar offen den Rücktritt des Chefs des Geheimdienstes DRS Mohamed Mediéne gefordert hatte. Der seit 1990 von Mediéne geleitete DRS ist die mächtigste Institution des Landes und ein Staat im Staate. Die FLN-Regierung gilt als ziviles Feigenblatt für die hinter den Kulissen regierenden Militärs. Die Äußerungen eines pensionierten Generals, der Bouteflika in Zusammenhang mit Saidanis Frontalattacke gegen Mediéne „Verrat“ vorwarf, ließ den Staatschef bereits vor einer Woche aus dem Schlaf erwachen und sich kryptisch zum Schlagabtausch zwischen Saïdani und den Generälen äußern. Derweil haben ein pensionierter General und mit Chaabane Boudemagh sogar ein ehemaliger DRS-Offizier angekündigt bei der Präsidentschaftswahl antreten zu wollen. Im auf Verschwiegenheit setzenden Regime ist Einiges in Bewegung. FLN, DRS und Generalstab loten offenbar die Machtverteilung im Regime neu aus. Weitreichende Machtverschiebungen sind dennoch nicht zu erwarten. Ob des tobenden Saïdanis und der iskanten Personalie Bouteflika bereitet sich das Militärregime vielmehr auf alle Eventualitäten vor.
© Sofian Philip Naceur 2014