Im November 1979, kurz nach der Islamischen Revolution im Iran, stürmten Studenten die US-Botschaft in Teheran. Das Gebäude wurde besetzt, Geiseln genommen und die diplomatischen Beziehungen zwischen Iran und den USA offiziell beendet. Die Geiselnahme ist ein Symbol für das Ende des US-amerikanischen Einflusses im Iran und ein Beispiel für die fatalen Folgen interventionistischer US-Außenpolitik. Der vom US-Geheimdienst CIA organisierte Putsch gegen Irans Premierminister Mohamed Mossadegh im August 1953 war eine Zäsur in der damals jungen Geschichte der CIA und ein wichtiger Beweggrund für die Botschafts-Besetzung 1979. Washington war die treibende Kraft hinter Mossadeghs Sturz und eine Stütze des letzten iranischen Monarchen Mohamed Reza Shah, der das Land 25 Jahre autokratisch regieren sollte. Die Ereignisse 1953 bestimmen die Geschicke Irans noch heute, brachten die Proteste gegen den Shah 1979 doch die Mullahs an die Macht, die seither mit noch härterer Faust regieren. Doch alles der Reihe nach (in Junge Welt vom 10.8.2013).
Die seit dem 18. Jahrhundert im Iran herrschende Kajaren-Dynastie brach 1920 zusammen. Massenproteste gegen den politischen und wirtschaftlichen Würgegriff Großbritanniens beendeten die Kajaren-Herrschaft. Selbstbestimmung blieb dem Land dennoch verwehrt. 1921 putschte sich Reza Shah Pahlavi mit Hilfe der Briten an die Macht, restaurierte die Monarchie und bestieg den Thron. Londons Vormachtstellung im Land war unter Pahlavi nicht gefährdet.
In den 1940er Jahren sympathisierte der Shah mit den Nazis, sein Bündnis mit London zerbrach. Großbritannien und Russland besetzten 1941 das Land, setzten den Shah ab und hievten seinen erst 22 jährigen Sohn Mohamed Reza Shah auf den Thron. Dieser konnte den im Aufwind stehenden iranischen Nationalismus nicht stoppen. Irans Parlament wurde mächtiger. 1947 verabschiedete die 1943 frei gewählte Volksvertretung ein Gesetz, dass die Vergabe von Erdölkonzessionen an ausländische Konzerne verbot und die Regierung anwies die Konzession der Anglo-Iranian-Oil-Company (AIOC) neu zu verhandeln. 1901 hatten die Kajaren einem britischen Unternehmer ein Exklusivrecht auf alle Erdölvorkommen im Land gewährt. 1913 übernahm die britische Regierung 51 Prozent der Konzession und damit die Kontrolle bei der AIOC, das schnell zum profitabelsten britischen Unternehmen weltweit aufstieg.
Der Shah hatte 1933 eine höhere Gewinnbeteiligung für Iran ausgehandelt, die bis 1961 gültige Konzession aber um 32 Jahre verlängert. Der von Mossadegh geführten Nationalen Front (NF) reichte das nicht. Schließlich flossen nach wie vor 80 Prozent der Gewinne in die Tasche der AIOC. Die Idee die Firma zu enteignen wurde populärer. Die kommunistische Tudeh-Partei, ein politischer Gegner Mossadeghs, und die Geistlichkeit unter Ajatollah Kashani schlossen sich 1951 der NF an und setzen Premierminister Ali Razmara, der die Enteignung ablehnte, damit massiv unter Druck. Im März wurde Razmara von Islamisten ermordet. Nur eine Woche später verabschiedete das Parlament das von der NF eingebrachte Gesetz zur Verstaatlichung der AIOC. Die Machtdemonstration der NF auf der Straße und im Parlament zwang den Shah am 29. April 1951 Mossadegh zum Regierungschef zu ernennen.
Großbritannien schaltete den UN-Sicherheitsrat ein und ließ seinen Abgesandten verkünden das Öl unter Irans Boden sei „eindeutig Eigentum der AIOC“. Es kam zu keiner Resolution, auch weil US-Präsident Truman Verhandlungen vorzog. London gab nicht nach, verhängte ein Wirtschaftsembargo und eine Seeblockade über Iran. Nach der Beschlagnahmung eines Tankers durch die britische Marine 1952, er habe gestohlenes Eigentum geladen so die Begründung, kündigten mehrere Staaten ihre Öllieferverträge mit Iran und setzten dem Land damit wirtschaftlich stark zu. London versuchte derweil weiter gegen Mossadegh zu agitieren. Die Tätigkeiten des britischen Geheimdienstes flogen jedoch auf und Mossadegh ließ die britische Botschaft schließen und das Personal ausweisen. London waren die Hände gebunden.
Der Machtwechsel in Weißen Haus kam dem britischen Premier Winston Churchill grade recht. Dwight D. Eisenhower übernahm im Januar 1953 das Präsidentenamt und gab rasch sein Einverständnis gegen Mossadegh vorzugehen. Die CIA schickte Kermit Roosevelt, einen Enkel Theodore Roosevelts, nach Teheran. Operierend von der US-Botschaft aus reaktivierte er die von den Briten geknüpften Kontakte, erweiterte diese und schmiedete ein Bündnis gegen Mossadegh.
Im Gegensatz zur US-Regierung unter Harry Truman, war der Ende 1952 gewählte Dwight D. Eisenhower empfänglich für die anti-kommunistischen Argumente der Briten und bereit im Fall Iran nachzugeben. Iran habe eine gemeinsame Grenze zur UdSSR und mit der Tudeh eine starke kommunistische Partei. Iran drohe sich dem Ostblock anzuschließen. Zwar hatte die Tudeh mit Mossadegh grundsätzliche Meinungsunterschiede, war nur temporär mit ihm verbündet und kam keineswegs als Statthalter Moskaus in Frage, doch hatte die britische Regierung mit der Strategie auf die rote Karte zu setzen Erfolg. Als London bei der Eisenhower-Regierung für den Sturz Mossadegh plädierte, fand sie rasch Fürsprecher.
In den frühen 1950ern wurden die USA von einer beispiellosen anti-kommunistischen Hysterie erfasst, angeführt vom republikanischen Senator Joseph McCarthy. Eisenhowers Außenminister John Foster Dulles und sein Bruder Allen Dulles, der neu eingesetzte CIA-Direktor, waren ausgesprochene Anhänger einer anti-kommunistischen Interventionslogik und lautstarke Verfechter eines harten Kurses gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten. Die Dulles-Brüder leiteten aber mit dem von ihnen organisierten Putsch gegen den auf demokratischem Wege an die Macht gelangten Mossadegh vor allem einen Strategiewechsel der CIA ein, die seit ihrer Gründung 1947 noch nie direkt eine Regierung gestürzt hatte. Für zahlreiche andere Einsätze der CIA im Ausland diente der Putsch 1953 als Vorbild, allen voran Chile 1973.
Roosevelt bestach Parlamentarier, Offiziere, Geistliche und Zeitungsredakteure, die eine massive Schmutzkampagane in der Presse gegen Mossadegh lancierten. Der Shah war in das Komplott eingeweiht, erschien nicht mehr im Parlament und signierte keine Gesetze. Mossadegh ließ sich vom Parlament bevollmächtigen ohne die Unterschrift des Shahs Gesetze zu erlassen. Kashani, auch von Roosevelt bestochen, nutzte dies als Vorwand, kündigte sein Bündnis mit der NF, lief zu den Putschisten über und schickte seine Anhänger auf die Straße, um sie für den Shah demonstrieren zu lassen.
Am 13. August unterzeichnete der Shah das Dekret zur Entlassung Mossadeghs und ernannte General Fazlollah Zahedis zum neuen Premier. Doch der Putschversuch schlug fehl. Mossadegh wurde gewarnt und verkündete im Radio ein Putschversuch des Shahs sei vereitelt worden. Der Shah floh nach Bagdad. Roosevelt hingegen blieb in Teheran und zettelte vier Tage später den nächsten Staatsstreich an. Erneut rief Kashani zu Protesten für den Shah auf, es kam zu Ausschreitungen zwischen Anhängern und Gegnern Mossadeghs. Roosevelt schickte bezahlte Schläger auf die Straße, die vorgaben die Tudeh und Mossadegh zu unterstürzen. Sie sollten Passanten verprügeln, randalieren und auf Moscheen schießen und das taten sie. Das geplante Chaos war perfekt, Teheran versank in Gewalt.
Mossadegh rief seine Unterstützer von der Straße und proklamierte das Kriegsrecht, er rechnete nicht mit noch einem Staatsstreich. Panzer der Shah-treuen Truppen rollten nach Teheran. Am 19. August besetzten putschende Offiziere Radio Teheran und Zahedi erklärte sich On Air zum „rechtmäßigen Premierminister“. Mossadegh wurde verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt. Er habe die Dekrete des Shahs nicht befolgt und zum bewaffneten Aufstand angestachelt. Bis 1956 blieb er in Haft. Mossadegh stand bis zu seinem Tod 1967 unter Hausarrest.
1954 wurde der iranische Erdölsektor neu geordnet. Die AIOC wurde umbenannt in British Petroleum (BP) und bekam 40 Prozent der Förderrechte zugesprochen. Fünf US-Unternehmen teilten sich weitere 40 und Royal Dutch Shell und ein französischer Erdölkonzern die verbleibenden 20 Prozent der Konzession. Die Gewinnmargen für Iran wurden erhöht, kontrolliert wurde Irans Erdölsektor fortan in London und Washington. Die US-freundliche Haltung der iranischen Bevölkerung war dahin. Angesichts der Machtübernahme der Mullahs 1979 kann man dem Historiker Stephen Kinzer nur zustimmen, wenn er die Ereignisse 1953 als „Ernüchternde Nachricht aus der Vergangenheit und Denkzettel für die Zukunft“ beschreibt.
© Sofian Philip Naceur 2013