Algerien nimmt seine „Kinder“ zurück

Migrationspolitisch war der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Algerien am Montag ein voller Erfolg – zumindest rhetorisch. Denn Algeriens Premierminister Ahmed Ouyahia (RND) versprach vollmundig, in Sachen Rückführungen von in Deutschland lebender ausreisepflichtiger algerischer Staatsbürger bereitwillig kooperieren zu wollen. „Ich bestätige Ihnen, dass Algerien seine Kinder zurücknehmen wird, egal ob es sich um 3000 oder 5000 handelt“, erklärte der algerische Regierungschef auf einer Pressekonferenz in Algier (erschienen in junge Welt am 19.9.2018).

Schon seit 2015 übt Berlin zunehmend Druck auf Algerien aus, die Kooperation bei Rückführungen von aus dem nordafrikanischen Land stammender Menschen zu verbessern. Abschiebungen in das autoritär regierte Land verlaufen jedoch offenbar bereits deutlich reibungsloser als in der Vergangenheit. Waren es im Jahr 2015 gerade einmal 57, führten deutsche Behörden 2017 bereits 504 erfolgreiche Abschiebungen algerischer Staatsbürger durch. Bis einschließlich Juli waren es im laufenden Jahr bereits 350. Vor diesem Hintergrund ist unklar, warum Merkel und Ouyahia am Montag derart offensiv betonten, man werde in diesem Bereich künftig besser zusammenarbeiten.

Auch blieb unklar, was Algerien im Gegenzug für seine Verhandlungsbereitschaft in Sachen Rückführungen bekommen hat bzw. bekommen wird. Merkels Besuch in Algier hatte eigentlich das erklärte Ziel, die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder zueinander zu intensivieren. Ouyahia und Merkel betonten wiederholt die Bedeutung des wirtschaftlichen Engagements deutscher Firmen in Algerien, doch konkrete Ankündigungen über neue Projekte oder Investitionen blieben aus.

Seit Merkels erstem Besuch in dem nordafrikanischen Land 2008 hat sich der bilaterale Handel zwischen beiden Staaten mehr als verdoppelt. Mehr als 200 deutsche Firmen seien heute in Algerien aktiv, berichtete die staatliche algerische Presseagentur APS. In den ersten sieben Monaten 2018 habe Algerien Waren im Wert von rund 1,6 Mrd. Euro aus Deutschland importiert und sei damit der fünftgrößte Handelspartner des Landes.

Während Deutschland insbesondere Öl und Gas aus Algerien bezieht, liefern deutsche Firmen vor allem Fahrzeugteile und Maschinen. Ein nicht unerheblicher Anteil davon wird für die Produktion von Rüstungsgütern und Fahrzeugen für den algerischen Sicherheitsapparat verwendet. Allein die Daimler AG ist im Rahmen von Joint Ventures mit algerischen Staatsfirmen an drei Montagefabriken für Fahrzeuge und Motoren beteiligt und produziert hier Geländewagen der G-Klasse, den Kleintransporter Sprinter und den Militärlastwagen Zetros. Algeriens Polizei, das Militär und die Gendarmerie werden seit Produktionsbeginn 2012 in großem Stile mit deutschen Fahrzeugen ausgerüstet. Rheinmetall und MAN produzieren – ebenfalls in Kooperation mit einer algerischen Staatsfirma – den Radpanzer Fuchs, während ThyssenKrupp Marine Systems zwei Fregatten der MEKO-Klasse nach Algerien geliefert hat.

Derweil verlief die schon für Februar 2017 geplante, aber aufgrund einer akuten Erkrankung des alternden algerischen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika (FLN) kurzfristig verschobene Visite Merkels in Algier betont harmonisch. Algeriens Regime machte Merkel sichtlich den Hof und bot so ziemlich alles auf, was in dem autoritär regierten Land Rang und Namen hat. Photogener Höhepunkt des Besuches war jedoch das Treffen zwischen Merkel und Bouteflika. Der seit 1999 regierende Staatschef gilt seit einem Schlaganfall 2013 als gesundheitlich anschlagen und tritt nur selten öffentlich auf. Algier dürfte angesichts der im April 2019 anstehenden Präsidentschaftswahl, bei der mit einer erneuten Kandidatur Bouteflikas gerechnet wird, auch aus propagandistischen Beweggründen daran interessiert gewesen sein, Merkel vor dem Urnengang empfangen zu dürfen. Vor dem Hintergrund der Parlamentswahl im Mai 2017 hätte der ursprünglich geplante Termin dabei eine ähnliche Wirkung entfalten können.

© Sofian Philip Naceur 2018

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