Algerien: Machtwechsel verschoben?

Rund ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen bringt sich Algeriens Regierungspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) in Stellung und geht gegen ihre regimeinternen Widersacher in die Offensive. Die seit Algeriens Unabhängigkeit von der französischen Kolonialherrschaft 1962 fast durchgehend regierende Partei machte am Wochenende unmissverständlich klar, dass sie den Präsidentenpalast in Algiers Nobelviertel El Mouradia keinesfalls kampflos zu räumen gedenkt (erschienen in junge Welt am 13.4.2018).

Auf einem Treffen von Parteifunktionären in der algerischen Hauptstadt hatte FLN-Generalsekretär Djamel Ould Abbès, den Vorsitzenden der FLN und Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika dazu aufgefordert, bei dem Urnengang im Frühjahr 2019 abermals anzutreten, berichtet die staatliche algerische Nachrichtenagentur APS. Auch Abdelkader Messahel, Algeriens Außenminister und Mitglied des FLN-Zentralkomitees, stellte sich hinter eine erneute Kandidatur Bouteflikas und pries in einem Interview mit dem französischen Nachrichtensender France24 die Errungenschaften des 81jährigen Staatschefs an.

Nach dessen letzter Wiederwahl 2014 galt seine erneute Kandidatur eigentlich als ausgeschlossen. Bouteflika ist gesundheitlich angeschlagen, sitzt im Rollstuhl und taucht seit seinem Schlaganfall 2013 nur in Ausnahmefällen in der Öffentlichkeit auf. Nachdem er 2014 nur mit Mühe seinen Amtseid vorlesen konnte, verzichten die Verantwortlichen im Regierungsapparat darauf, Tonaufnahmen des seit 1999 amtierenden Präsidenten zu veröffentlichen und lassen Staatsrundfunk und APS stattdessen immer wieder Videos von Bouteflika in Umlauf bringen, die seine Teilnahme an Kabinettssitzungen oder Gespräche mit ausländischen Politikern belegen. Entsprechend ausgiebig wird in der algerischen Presse über seinen Gesundheitszustand spekuliert.

Umso bemerkenswerter war Bouteflikas überraschende Teilnahme an der Wiedereröffnung der mit türkischer Hilfe restaurierten Ketchaoua-Moschee am Fuße der Altstadt von Algier am vergangenen Dienstag. Hunderte FLN-Anhänger waren mit Bussen in die zurechtgemachte Innenstadt von Algier gebracht worden, um dem öffentlichkeitswirksam inszenierten Auftritt des alternden Staatschefs beizuwohnen. Die algerische Nachrichtenplattform TSA Algérie wittert hinter dem Besuch bereits eine Art Wahlkampfauftakt.

Bouteflika ist einer der letzten historischen politischen Führungskader der FLN. Von 1963 bis 1978 war er Außenminister bevor er den bereits damals schwelenden regimeinternen Flügelkämpfen zum Opfer fiel und ins Exil geschickt wurde. Seit seinem politischen Comeback 1999 gilt er als Kompromisskandidat der herrschenden Klasse, die sich aus mehreren hochgradig fragmentierten und heterogenen Fraktionen zusammensetzt. Die Rivalitäten zwischen staatssozialistisch und wirtschaftsliberal orientierten Fraktionen und dem mächtigen Sicherheitsapparat werden vor allem seit Beginn der bis heute anhaltenden Wirtschaftskrise 2014 immer wieder öffentlich ausgetragen.

Vor allem Ahmed Ouyahia, Premierminister und Chef der Regierungspartei Nationaldemokratische Sammlung (RND), machte in den letzten Jahren keinen Hehl aus seinen Ambitionen, geriet jedoch zuletzt in die Defensive. Nachdem er sich im Dezember mit Algeriens staatlichem Gewerkschaftsdachverband UGTA und dem Unternehmerverband FCI auf eine Teilprivatisierung staatlicher Firmen geeinigt hatte, pfiffen ihn FLN-Generalsekretär Ould Abbès und Bouteflika nur wenig später öffentlich zurück. Ein Verkauf staatlicher Unternehmen sei mit der FLN nicht zu machen, so Ould Abbès.

Ouyahia und seiner Partei werden enge Verbindungen zum Sicherheitsapparat nachgesagt, der nach der Entmachtung des ehemals allmächtigen Militärgeheimdienstes DRS an Einfluss verloren hat. Während sich Ouyahia zum Vorstoß der FLN in Sachen Bouteflika bisher nicht öffentlich geäußert hat, bleibt unklar, ob das RND Teil einer Kompromisslösung sein wird oder ihrerseits in Kürze auf Konfrontation zum zunehmend aggressiv auftretenden FLN gehen wird.

© Sofian Philip Naceur 2018

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