Berlin hofiert Al-Sisi

Kaum ein anderer Staats- und Regierungschef wurde im Rahmen des »Afrika-Gipfels« in Berlin am Dienstag von der deutschen Politik derart umgarnt wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi. Zuvor war der seit 2013 autoritär regierende frühere General am Montag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und den Bundesministern für Wirtschaft und internationale Entwicklung, Peter Altmaier (CDU) und Gerd Müller (CSU), zusammengetroffen. Am Dienstag standen zudem Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm (erschienen in junge Welt am 1.11.2018).

Dabei seien Agenturberichten zufolge vor allem Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutiert worden. Themen waren aber auch die Ausweitung der Bildungskooperation und die sogenannte »illegale« Migration, die Berlin mit einem zuletzt massiv intensivierten Sicherheits- und Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten und anderen afrikanischen Staaten umfassend einschränken will. Bereits am Sonntag hatte sich Al-Sisi mit Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie und des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) getroffen.

Wenig überraschend, überschütteten sich Merkel und Al-Sisi gegenseitig mit Lob und priesen die bilaterale Zusammenarbeit. Ägypten sichere seine Seegrenzen seit 2016 »exzellent« ab, betonte die deutsche Regierungschefin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Autokraten und erklärte, die Bundesrepublik unterstütze das Land bereits mit einem Kredit in Höhe von 500 Millionen Euro, dessen zweite Tranche in Kürze überwiesen werden soll.

Im Zuge des vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft organisierten Gipfels – offiziell eine Veranstaltung im Rahmen der G-20-Initiative »Compact with Africa« (CwA) – wurde sozusagen als Highlight ein rund eine Milliarde Euro umfassender »Entwicklungsinvestitionsfonds« angekündigt, dessen Ziel es sein soll, mittels Krediten und staatlicher Investitionsabsicherungen die Bedingungen für ausländische Investoren in den elf CwA-Partnerländern in Afrika, zu denen auch Ägypten gehört, zu verbessern. Mit Hilfe dieses Instrumentes solle der Wohlstand Afrikas wachsen, die Armut vermindert und die Investitionsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft verbessert werden. Ob damit jedoch auch die Migration nach Europa und insbesondere in die Europäische Union wirksam bekämpft werden kann, darf bezweifelt werden. Denn ganz offensichtlich handelt es sich beim CwA abermals um ein neoliberales Werkzeug zur Öffnung afrikanischer Märkte.

Die Al-Sisi-Regierung verfolgt indes mit der demonstrativ gezeigten Kooperationsbereitschaft in Sachen Migrationsbekämpfung und Grenzabschottung eigene Ziele. Zugleich ins­trumentalisiert der Präsident das Thema geschickt, um sein Regime mittels internationaler Unterstützung zu stabilisieren und Ägyptens Sicherheitsapparat hochzurüsten. Mit Erfolg. Denn die Bundesregierung intensiviert bereits seit 2015 ihre »Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit« mit Kairo und erlaubte den Export von U-Booten und Raketen nach Ägypten. Erst vergangene Woche bestätigte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke, Andrej Hunko, weitere Aktivitäten in dem nordafrikanischen Land im Rahmen der »Polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfen« im Sommer 2019. Die Bundespolizei habe dabei bisher bereits elf Schulungen für Ägyptens Grenzpolizei durchgeführt und 50 Ausweislesegeräte und ein Urkundenlabor an die dortigen Behörden übergeben.

Auch die »zivile« Wirtschaft ist mit Ägypten ganz gut im Geschäft. So baut Deutschlands größter Industriekonzern Siemens im Rahmen eines milliardenschweren Auftrags große Kraftwerke und modernisiert die Stromversorgung im Lande am Nil. Einen ähnlichen Auftrag hatte der Münchner Konzern vergangene Woche auch aus dem Irak erhalten. Der Spezialdruckanbieter Giesecke und Devrient wiederum ist beim Druck von Bargeld und dem Aufbau elek­tronischer Pass- und Personalausweissysteme in Ägypten mit dabei.

Während sich der ägyptische Staatspräsident als Anker der Stabilität in der nahöstlichen Region präsentiert, fordert der in Berlin lebende Oppositionelle Ahmed Said von der Bundesregierung, in Menschenrechtsfragen Druck auf den mächtigen Autokraten auszuüben. »Mit seinem Totalitarismus wird Al-Sisi in Ägypten langfristig keine Stabilität erreichen«, erklärte Said, der die Folter- und Verhörmethoden der ägyptischen Polizei am eigenen Leib erfahren hat. Zusammen mit einigen anderen Regimegegnern organisierte er am Dienstag vor dem Bundeskanzleramt eine kleine Demonstration, um auf die aktive Unterstützung Berlins für Ägyptens Herrschende hinzuweisen. Auch Ilyas Saliba, Nahost-Experte bei Amnesty International in Deutschland, kritisiert den Umgang Berlins mit Ägypten. Die Menschenrechtslage im Land sei unter Al-Sisi katastrophal. »Folter und Misshandlungen in Haft sind in Ägypten nach wie vor an der Tagesordnung«, so Saliba gegenüber jW.

© Sofian Philip Naceur 2018

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  1. […] „Berlin hofiert Al-Sisi“ von Sofian Philip Naceur am 01. November 2018 auf seinem Blog (ursprünglich in der jungen welt) unter anderem über die anstrengende Tagesordnung des Diktators aus Kairo in Berlin: „Kaum ein anderer Staats- und Regierungschef wurde im Rahmen des »Afrika-Gipfels« in Berlin am Dienstag von der deutschen Politik derart umgarnt wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi. Zuvor war der seit 2013 autoritär regierende frühere General am Montag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und den Bundesministern für Wirtschaft und internationale Entwicklung, Peter Altmaier (CDU) und Gerd Müller (CSU), zusammengetroffen. Am Dienstag standen zudem Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm. Dabei seien Agenturberichten zufolge vor allem Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutiert worden. Themen waren aber auch die Ausweitung der Bildungskooperation und die sogenannte »illegale« Migration, die Berlin mit einem zuletzt massiv intensivierten Sicherheits- und Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten und anderen afrikanischen Staaten umfassend einschränken will. Bereits am Sonntag hatte sich Al-Sisi mit Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie und des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) getroffen…“ […]

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