Affäre um Grenzziehung – Al-Sisi unter Druck

Der Besuch des saudischen Königs Salman Bin Abdulaziz Al-Saud in Ägyptens Hauptstadt Kairo am letzten Wochenende hat ein Nachspiel – mit ungewissem Ausgang. Denn die im Zuge seiner Visite vereinbarte Neuordnung der Grenzziehung zwischen Saudi-Arabien und Ägypten im Roten Meer und die Abgabe zweier strategisch gelegener Inseln vor der Küste Scharm Al-Scheikhs an das Königreich haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi sah sich sogar gezwungen öffentlich Stellung zu der Affäre zu nehmen. Und wenn in den letzten Jahren ägyptische Staatschefs aufgrund öffentlichen Drucks außerplanmäßige Reden hielten, war dies meist ein Anzeichen dafür, dass sie innerhalb des Regimes gehörig unter Druck standen. Wird die Luft um Al-Sisi also dünner (erschienen in junge Welt am 15.4.2016)?

Auszuschließen ist das nicht mehr, denn sowohl aus der politischen Klasse des Landes als auch seitens der Bevölkerung hagelt es massive Kritik an der freiwilligen Aufgabe von Land zugunsten Riads. Zahlreiche Oppositionsgruppen und Aktivisten haben für Freitag zu Protesten auf dem Tahrir-Platz im Herzen Kairos aufgerufen. Während seine live im Staatsfernsehen übertragene Rede am Mittwoch massive Aufmerksamkeit im Land auf sich zog, quellen soziale Netzwerke förmlich über an Protestaufrufen, scharfzüngigen Kommentaren und Polemiken. Es brodelt im Land und Al-Sisi muss aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt.

Denn während er seit Beginn seines steilen politischen Aufstieges 2013 versucht sich als Erbe von Ägyptens Expräsident Gamal Abdel Nasser zu inszenieren und eine dezidiert nationalistische Agenda vorantreibt, bringt er mit der Übergabe der Inseln Tiran und Sanafir an Riad eben genau diejenigen Menschen gegen sich auf, die ihn aufgrund seiner nationalistischen Symbolpolitik unterstützt hatten. Hatten Al-Sisis Verbündete dem 2013 entmachteten Expräsidenten Ägyptens Mohamed Mursi noch den Ausverkauf des Landes vorgeworfen – Mursi wolle die Sinaihalbinsel an die im Gazastreifen regierende palästinensische Hamas abtreten, hieß es damals seitens seiner Gegner – so tausche Al-Sisi heute Land auf dem Sinai gegen Wirtschaftshilfen aus Riad. Diesen Schritt als ungeschickt zu bezeichnen, ist weit untertrieben, untergräbt er damit doch direkt seine Legitimität.

Während die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Gebietsabtritts derzeit in den Hintergrund tritt und das Parlament und die Justiz im Land beschäftigen wird, geht es derweil vor allem um die mangelnde Transparenz des Vorgangs. Israel signalisierte seine Zustimmung zu dem Deal, denn angesichts der Bestimmungen des Friedensabkommens zwischen Ägypten und Israel, das den Sinai als entmilitarisierte Zone klassifiziert, hat Israel hier durchaus ein Wörtchen mitzureden. Doch warum sei die israelische Regierung im Vorfeld über den Deal informiert worden, aber die ägyptische Bevölkerung nicht?

Auch Al-Sisis Rede konnte auf diese von Journalisten und in sozialen Netzwerken gestellte Frage keine adäquate Antwort geben. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit für einen Rundumschlag und attackierte ägyptische Medienvertreter für ihre Berichterstattung über den Fall des Anfang 2016 in Kairo zu Tode gefolterten italienischen Doktoranden Giulio Regeni. Die Presse verbreite Lügen und hätte Ägypten international blamiert, so Al-Sisi.

Wegbereiter der anhaltenden Empörung über Al-Sisi sind derweil die anhaltende wirtschaftliche und fiskalpolitische Talfahrt des Landes, die seit Monaten kochende Debatte über systematische Polizeigewalt und Folterpraktiken der Sicherheitskräfte und inzwischen offenbar auch mangelndes Vertrauen in die politische Führung des Landes. Die regimeinternen Machtkämpfe erhalten dadurch indes neue Nahrung, denn die dem 2011 gestürzten Exdiktator Hosni Mubarak nahe stehende Kreise im Staatsapparat und der politischen Klasse im Land machen keinen Hehl aus ihrer Opposition zu Al-Sisi und könnten durchaus versuchen aus den Protesten gegen den Staatschef politisches Kapital zu schlagen.

© Sofian Philip Naceur 2016

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