Zurück zum Tagesgeschäft – Neue Regierung vereidigt

Nur wenige Tage nach dem Rücktritt des Kabinetts von Expremierminister Ibrahim Mehleb hat Ägypten eine neue Regierung. Schon am Samstag ließ Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi die neue Mannschaft des vormaligen Ölministers und neuen Regierungschefs Scherif Ismail offiziell vereidigen. Während wichtige Schlüsselposten wie Außen-, Verteidigungs- und Innenministerium unangetastet blieben, zeugt die Auswahl der 16 neuen Gesichter im Kabinett Ismail von einem Bekenntnis des Regimes zu Marktwirtschaft und einer investorenfreundlichen Wirtschaftspolitik. Die Personalwechsel und Umstrukturierungen in der Regierung deuten zudem auf eine Normalisierung der Beziehungen zum Verbündeten USA hin (erschienen in Junge Welt am 22.9.2015).

Durch die Zusammenlegung mehrerer Ministerien schrumpft die Regierung von 36 auf noch 33 Ministerien. Die Auflösung der Ressorts für Bevölkerung und urbane Entwicklung lassen derweil auf eine Akzentverschiebung politischer Leitmotive im neuen Kabinett schließen. Während sich die scheidende Ministerin für urbane Entwicklung, Laila Iskander, seit ihrem Amtsantritt für bessere Lebensbedingungen in den Slums einsetzte und gegen Zwangsräumungen informeller Viertel opponierte, bleibt der Minister für Wohnungsbau Mostafa Madbouly im Amt. Die ägyptische Internetzeitung Mada Masr schreibt Madbouly mit Verweis auf die in seiner Amtszeit durchgedrückten zentralistisch organisierten Großprojekte „neoliberale Tendenzen“ zu. Seine Bestätigung im Amt ist ein Anzeichen dafür, dass soziale Reformen nicht mehr auf der Prioritätenliste der ägyptischen Führung stehen. Mit Iskander verliert die Regierung eine der wenigen Stimmen im Kabinett, die sich konsequent um die Rechte der Marginalisierten bemühte.

Das neue Kabinett setzt unterdessen ganz auf neoliberale Reformen und ausländische Investitionen. Neuer Minister für Industrie und Außenwirtschaft wird der Geschäftsmann Tarek Kabil, der bei multinationalen Unternehmen Karriere machte. Zuletzt war er bei der Investmentgesellschaft Abraaj Capital und dem US-amerikanischen Getränkekonzern PepsiCo beschäftigt. Neue Ministerin für Internationale Zusammenarbeit wird die vormalige Mitarbeiterin der Weltbank Sahar Nasr. Zuvor stand sie Al-Sisi als Beraterin in Wirtschaftsfragen zur Seite und dürfte künftig auch als Bindeglied zwischen den vom Westen kontrollierten internationalen Finanzinstitutionen Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) auftreten. Der IWF unterhält enge Kontakt mit Ägypten. Erst letzte Woche war eine Delegation des IWF nach Kairo gereist und hatte erneut neoliberale Reformen zur Überwindung der Wirtschaftskrise angemahnt.

Die Ernennung von Mohamed Al-Assar zum neuen Minister für militärische Produktion – Ägyptens Armee unterhält dutzende Industrieanlagen, die militärische und zivile Güter herstellen und stets von Angehörigen der Streitkräfte kontrolliert werden – garantiert derweil den Zugriff des Militärs auf die exekutive Führung in Kairo und ist gleichzeitig eine strategische Personalie für den Umgang mit den USA. Al-Assar war nach dem Sturz von Expräsident Hosni Mubarak 2011 Verhandlungsführer in Gesprächen mit der US-Regierung, die sich besorgt über die damals erfolgte direkte Machtübernahme der Armee zeigte. Zuvor war Al-Assar als Mitarbeiter im Verteidigungsministerium für die Verhandlungen mit Washington über Waffenlieferungen verantwortlich. Als neuer Minister für militärische Produktion bringt er demnach ideale Voraussetzungen für sein Amt mit, schließlich hat Washington seine jährlichen Militärhilfen an Ägypten in Höhe von rund 1,3 Milliarden US-Dollar inzwischen restauriert und setzt auf eine Normalisierung der Beziehungen zu Ägypten. Nicht überraschend war folglich auch der Besuch einer Delegation des US-Kongresses am Sonntag in Kairo, in dessen Rahmen Al-Sisi die Angereisten einlud an der Beobachtung der anstehenden Parlamentswahl teilzunehmen. Al-Sisi baut zwar die Beziehungen zu Moskau massiv aus, will aber zeitgleich eine weitere Annäherung an Washington. Auf die Militär- und Entwicklungshilfen aus den USA will er nicht verzichten.

© Sofian Philip Naceur 2015

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