Algerien: Geheimdienstchef entlassen

Der jahrelange erbitterte Machtkampf innerhalb des autokratisch geführten Militärregimes in Algerien hat seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika schickte am Sonntag den Chef des einflussreichen gefürchteten Militärgeheimdienstes DRS (Abteilung für Geheimdienste und Sicherheit), General Mohamed „Tewfik“ Mediène, in den vorzeitigen Ruhestand. Was wie ein einfacher, aber politisch wichtiger Personalwechsel anmutet, ist ein politisches Erdbeben (erschienen in Junge Welt am 16.9.2015).

In einer von Algeriens staatlicher Nachrichtenagentur APS veröffentlichten Verlautbarung heißt es, der seit 1999 amtierende Bouteflika habe Mediène in Rente geschickt und Athmane Tartag zu dessen Nachfolger an der Spitze des DRS ernannt. Gründe für die Personalentscheidung wurden nicht genannt und geben Anlass zu Spekulationen. Der pensionierte General Tartag war die langjährige Nummer Zwei des DRS und für den Anti-Terror-Kampf und die innere Sicherheit verantwortlich, heißt es in der algerischen Presse. 2013 wurde er von seinem Posten im DRS abgezogen und stand seither dem Staatspräsidenten als Berater zur Seite.

Neben Bouteflika selbst galt der seit 1990 amtierende DRS-Chef als mächtigster Mann des Landes. Unter seiner Ägide mauserte sich der DRS zum Staat im Staate. Spionage, Anti-Terror-Kampf, Infiltration, innere Sicherheit und Propaganda; der DRS mischte überall mit, schuf unter Mediène ein alles durchdringendes Netzwerk im Staats- und Sicherheitsapparat und war für die Drecksarbeit des Regimes zuständig. Während des blutigen Bürgerkrieges der 1990er Jahre war es der DRS, der radikalislamistische Zellen unterwanderte und den Konflikt weiter anheizte. Auf sein Konto gehen unzählige Massaker an der Zivilbevölkerung mit dem Ziel die Islamisten öffentlich zu diskreditieren Diese sparten ihrerseits nicht an Gewalt gegen Zivilisten. Mediène war der letzte noch amtierende General, der federführend in den Konflikt verwickelt war.

Mediènes Entlassung gingen derweil zahlreiche Umstrukturierungen im Sicherheitsapparat voraus, die auf einschneidende Veränderungen der regimeinternen Machtdynamiken hinweisen. Schon 2013 begann das Bouteflika nahe stehende Lager damit den DRS sukzessive zu entmachten. Präsidialgarde, juristische Polizei und andere Abteilungen des Geheimdienstes wurden der Kontrolle des DRS entzogen und der Armee oder dem Staatschef selbst übertragen. Vorausgegangen waren offenbar politisch motivierte Korruptionsklagen gegen mehrere Bouteflika nahe stehende Minister, die nach und nach ihre Hüte nehmen mussten.

Doch Bouteflikas Clan schlug zurück und konnte sein regimeinternes Gegengewicht zurechtstutzen. Erst im Juli wurden die Führungsposten mehrerer Geheimdienstabteilungen ausgetauscht bis im August ein enger Vertrauter Mediènes, General Abdelkader Aït-Ouarab, in Algier verhaftet wurde. Aït-Ouarab leitete eine für den Anti-Terror-Kampf verantwortliche Eliteeinheit des DRS, die die Stürmung der Gasanlage in Ain Amenas im Januar 2014 durchführte. Damals hatten islamistische Extremisten die Gasanlage besetzt und hunderte Geiseln genommen. Algier weigerte sich zu verhandeln und stürmte. Rund 40 Geiseln wurden getötet.

Treibende Motivation der verschiedenen Lager in Algeriens fragmentiertem Machtapparat um Einfluss im Sicherheitsapparat dürfte der Kampf um Bouteflikas Nachfolge sein. Der 78jährige ist gesundheitlich stark angeschlagen und verschwand in den letzten Jahren immer wieder für Monate von der Bildfläche. Dennoch war Bouteflikas Clan in der Lage die Kontrolle zurückzugewinnen, doch es bleibt fraglich, ob Bouteflika mit Mediènes Absetzung seine Rivalen endgültig kaltgestellt hat oder ob es sich bei dem Konflikt vielmehr um einen öffentlichkeitswirksam inszenierte Machtkampf zwischen DRS und Bouteflika handelt. Schließlich steht das Regime, das für seine interne verhandlungsorientierte Konfliktlösung bekannt ist, angesichts der sozialen Probleme im Land unter Druck. Die deutsche Bundesregierung dürfte die jüngsten Entwicklungen in Algerien genau beobachten, ist Algier doch ein treuer Verbündeter im Kampf gegen den Terror und Berlins größter Abnehmer von Rüstungsgütern.

© Sofian Philip Naceur 2015

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