Der neue Suezkanal – Sisis Propagandashow

In einer pompösen Zeremonie in der Stadt Ismaelija hat Ägypten am Donnerstag offiziell den in nur einem Jahr fertig gestellten Ausbau des Suezkanals eröffnet. Begleitet von massiver nationalistisch aufgeladener Propaganda ließen sich Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi und die im Hintergrund regierende Armee für die planmäßige Fertigstellung einer zweiten Fahrrinne feiern. Obwohl der volkswirtschaftliche Nutzen des Megaprojektes für Ägyptens am Boden liegende Wirtschaft stark bezweifelt wird, präsentiert das Regime in Kairo den neuen Kanal als Heilsbringer für die wirtschaftlichen Probleme des Landes und kündigte weitere Bauvorhaben in der Kanalzone an. Al-Sisi schlachtete den Termin nicht nur innenpolitisch propagandistisch aus, sondern nutzte die Gelegenheit, um sich auch im Ausland Rückhalt zu verschaffen (erschienen in Junge Welt am 8.8.2015).

Die Gästeliste für die Eröffnung war lang. Frankreichs Präsident François Holland, Russlands Premierminister Dmitri Medwedew und der britische Verteidigungsminister Michael Fallon waren die prominentesten Gäste aus Europa. Kairo ließ zudem zahlreiche Staatschefs aus Afrika und dem Nahen Osten einfliegen. Selbst ein Vertreter des nordkoreanischen Parlaments war geladen. Präsentierte sich Al-Sisi für die im Staatsrundfunk übertragene Besichtigung des Neubaus noch in Militäruniform, die er anlässlich seiner offiziellen Kandidatur für das Präsidentenamt eigentlich ausgezogen hatte, um den Anschein zu erwecken ein ziviler Anwärter auf das höchste Staatsamt zu sein, trat er den Gästen für seine Rede in ziviler Montur entgegen. Der autoritär regierende Staatschef betonte, der Kanal sei für sein Land ein „Vertrauensaufschwung in schweren Zeiten“. Ein solches Projekt in derart kurzer Zeit zu vollenden solle Ägyptens Volk mit Stolz erfüllen, fügte er hinzu.

Die Eröffnungszeremonie wurde derweil begleitet von einer großangelegten Kampagne, um das Projekt im Inland als Errungenschaft des Regimes zu präsentieren, die das Land wirtschaftlich voran bringe. Eine eigens für die Eröffnung geprägte Goldmünze, freier öffentlicher Nahverkehr für alle sowie kostenloser Zutritt zu Museen und Parks landesweit. Auch die Hauptstadt Kairo wurde herausgeputzt. Ägyptens Nationalflagge war allgegenwärtig. Hotelbesitzer wurden gar von der Regierung aufgefordert die Flagge an ihren Gebäuden aufzuhängen. Das Regime machte landesweit enorm viel Aufsehen um die offizielle Eröffnung.

Doch diese Show bezweckt vor allem eines. Sie soll ablenken von der anhaltenden Wirtschaftskrise und sie soll den Ausbau des Kanals als nationale Errungenschaft präsentieren, obgleich der Nutzen und der von der Regierung anvisierte finanzielle Gewinn für das Land weiter unklar bleibt. Viele Jobs wird der neue Kanal dauerhaft nicht schaffen. Was Ägyptens Wirtschaft vielmehr braucht ist eine Neustrukturierung der Landwirtschaft und eine zumindest partielle Rechtssicherheit für die immense informelle Wirtschaft am Nil. Diese zu formalisieren muss ein Ziel Kairos sein – nicht nur um das Steueraufkommen zu erhöhen, sondern auch um die verarmten Teile der Bevölkerung in Ägyptens Wirtschaft zu integrieren.

Derweil versucht die Regierung den Anschein von Sicherheit zu vermitteln. Ein Großaufgebot an Polizei und Armee sicherte die Zeremonie und das neue Bauwerk ab. Doch das sicherheitspolitische Umfeld des Kanals bleibt fragil. Im Nord-Sinai unweit des Kanals tobt seit fast drei Jahren ein brutaler Krieg zwischen Ägyptens Militär und radikalen Extremisten. Kairo versucht zu beschwichtigen, doch der Raketenangriff der Radikalislamisten auf ein ägyptischen Kriegsschiff im Mittelmeer vor drei Wochen sei „alarmierend“, so ein ägyptischer Menschenrechtler, der anonym bleiben will. Der Westen hat mit der anhaltenden militärischen Konfrontation im Sinai gewichtige Gründe auf guten Beziehungen zu Ägyptens Machthabern zu setzen. In den letzten zwölf Monaten reiste Al-Sisi unter anderem nach Spanien, Frankreich, Deutschland und Italien und signierte dabei vor allem sicherheitspolitische Abkommen. Und das trotz der anhaltend katastrophalen Menschenrechtslage am Nil, einer absurd arbeitenden Justiz und der Tatsache, dass das Land noch immer kein Parlament gewählt hat und Al-Sisi faktisch im Alleingang regiert. Der Ausbau des Suezkanal soll vor allem Ägyptens geopolitische Position stärken und das Ansehen des Militärs im Ausland restaurieren. Inwiefern der Kanal positive Effekte auf Ägyptens Wirtschaftsleistung haben wird, steht in den Sternen.

Factbox Suezkanal

Der 1869 eröffnete Suezkanal zählt bis heute zu den geopolitisch bedeutsamsten Wasserstraßen der Welt und ist aufgrund seiner vitalen Bedeutung für den Handel zwischen Asien und Europa ein unverzichtbares Nadelöhr in der maritimen Handelsschiffahrt. Der rund 193 Kilometer lange Kanal zwischen der Stadt Suez am Roten Meer und dem Mittelmeerhafen Port Said stand nach seiner Fertigstellung unter Kontrolle der britischen Kolonialmacht, die ihren massiven Einfluss auf Ägypten erst nach dem Putsch der Freien Offiziere unter Gamal Abdel Nasser 1952 verlor. Im Zuge der von den neuen Machthabern initiierten Verstaatlichung strategisch wichtiger Industriezweige fiel 1956 auch der Suezkanal vollständig in die Hände Ägyptens und ist seither eine unersetzliche Devisenquelle für Ägyptens Militärregime. 2014 akquirierte der Kanal nach offiziellen Angaben Einnahmen in Höhe von rund 5,3 Milliarden US-Dollar. Reedereien bevorzugen heute die Route durch Ägypten, da hier im Gegensatz zum Panama-Kanal keine Schleusen zum Überwinden der unterschiedlichen Wasserstände zu passieren sind. Der Kanal ist bislang nur einspurig befahrbar. Schiffe müssen daher lange Wartezeiten in Lauf nehmen und durchqueren die 146 Jahre alte Passage in Konvois.

2014 kündigte Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi den Bau eines neuen Suezkanals an, der es erlauben soll die Route künftig in beide Richtungen gleichzeitig zu befahren. Neben einer neuen 35 Kilometer langen parallel zum alten Kanal verlaufenden Fahrrinne soll der bestehende Kanal erweitert und vertieft werden, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Damit soll bis zum Jahr 2013 die Anzahl der täglich durch den Kanal fahrenden Schiffe von heute 49 auf 97 verdoppelt und die Wartezeiten von derzeit 18 auf noch 11 Stunden reduziert werden. Das Projekt hat eine Gesamtlänge von 72 Kilometern. In der Kanalzone ist zudem eine Sonderwirtschaftszone inklusive eines Logistik-, Handels- und Industriezentrums geplant. Ägypten will damit nach eigenen Angaben langfristig rund einer Million Arbeitsplätze schaffen.

© Sofian Philip Naceur 2015

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