Warum zieht Ägypten in den Krieg im Jemen?

Das Militärregime von Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi braucht dringend wirtschaftliche oder politische Erfolgsmeldungen, will es nicht weiter an Zustimmung im Land verlieren. Der nun eingeschlagene Weg von Ägyptens Regierung mit militaristischen außenpolitischen Initiativen von Problemen innerhalb des Landes abzulenken birgt jedoch enorme Risiken. Nach Kairos Luftangriffen auf Stellungen von mit dem IS in Syrien und dem Irak verbündeten Milizen im bürgerkriegsgeplagten Nachbarland Libyen im Februar schloss sich Ägypten vor zwei Wochen großspurig der von Saudi-Arabien geführten Militärintervention im Jemen an und schickte Kriegsschiffe an das Horn von Afrika. Ägyptens Außenminister Sameh Schukri kündigte zudem an im Notfall den Alliierten vom Golf mit Bodentruppen zur Seite zu stehen, sollte eine Bodenoffensive der Kriegskoalition gegen die Huthi-Rebellen, die neuen Machthaber im Jemen, tatsächlich umgesetzt werden (erschienen in Junge Welt am 8.4.2015).

Jemens 2011 installierter Staatspräsident Abed Rabbo Mansour Hadi war nach dem Vormarsch der Rebellen auf Jemens Hauptstadt Sanaa bereits im Februar in die Hafenstadt Aden im Süden des Landes geflohen und widersetzte sich von dort weiterhin hartnäckig der Machtübernahme der vom Iran unterstützten Rebellen. Die Huthis – benannt nach dem führenden Familienclan an der Spitze der einst als theologische Bewegung initiierten Vertretung der zaidistischen dem schiitischen Islam angehörenden Minderheit im Land – setzten ihren Eroberungsfeldzug im Jemen Ende März fort nachdem sich große Teile der jemenitische Armee ihrer Militäriffensive angeschlossen hatten. Inzwischen kontrollieren die Huthis wichtige Häfen im Westen des Landes und bekommen verstärkt Unterstützung von Irans Revolutionsgarden, der mächtigsten militärischen Institution des Mullah-Regimes in Teheran.

Nachdem erst vor wenigen Tagen ein Durchbruch im jahrelang schwelenden Atomkonflikt zwischen Iran und dem Westen erzielt wurde, setzt Riad nun folgerichtig auf einen Alleingang, um Irans Einfluss in der Region zu schwächen. Während die USA im Irak im Kampf gegen den IS sogar mit Teheran militärisch kooperieren – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – und sich nun auch politisch aufeinander zubewegen, steht Riad mit seiner radikalen Opposition zum Iran unter Zugzwang und ließ den andauernden Stellvertreterkonflikt im Jemen eskalieren, um dem wachsenden Einfluss Irans in der Region militärisch entgegenzutreten.

Saudi-Arabien scharte eine sunnitische Allianz von neun weiteren Staaten um sich und hatten zunächst mit Luftschlägen versucht den Vormarsch der Rebellen im Jemen aufzuhalten. Riad zog nach eigenen Angaben rund 150000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland zusammen und belagert inzwischen gemeinsam mit ägyptischen Kriegsschiffen die Küste vor Aden. Ägypten wiederum betont nachdrücklich die Beteiligung am Waffengang im Jemen sei der nationalen und regionalen Sicherheit geschuldet. Kairo müsse seinen Brüdern am Golf beistehen, sagte Al-Sisi. Ägyptische Kriegsschiffe patrouillieren zudem an der strategisch wichtigen Meerenge von Bab Al-Mandeb zwischen dem Jemen und Djibouti, der einzigen Durchfahrtsstraße ins Rote Meer und zum für Kairo wirtschaftlich so wichtigen Suez-Kanal. Ägypten lässt derzeit den Kanal erweitern und erhofft sich vom Ausbau der Schiffsstraße Einnahmen in Milliardenhöhe für das seit Jahren unter Druck stehende Staatsbudget. Al-Sisi hatte den Ausbau des Kanal zu einem nationalen Prestigeprojekt erklärt und sieht dessen Erfolg durch einen wachsenden Einfluss Irans im Jemen akut gefährdet. Eine Blockade der Bab Al-Mandeb-Straße durch die jemenitischen Rebellen ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, sind doch bereits seit Jahren westliche Kriegsschiffe am Horn von Afrika unterwegs, um die dortige Piraterie zu bekämpfen.

Ägyptens Beteiligung an der Militärintervention ist jedoch vielmehr finanzieller Natur. Al-Sisi konnte sich seit seiner Machtübernahme nur dank großzügiger finanzieller Hilfen aus den Golf-Staaten über Wasser halten und revanchiert sich derzeit im Jemen für die Rückendeckung aus Riad. Das Regime in Kairo scheint zudem auf einen essentiellen Schuldenerlass durch die Golf-Monarchien zu hoffen, hatten doch die Golf-Staaten nach Ägyptens Beteiligung am Kuwait-Krieg 1991 dem Land am Nil massiv die Schulden gestrichen. Doch Al-Sisis Strategie ist riskant, setzt er doch ausnahmslos auf symbolische außenpolitische Initiativen und setzt das Leben seiner eigenen Bürger aufs Spiel, sollte es tatsächlich zu einer Bodenoffensive unter Beteiligung ägyptischer Truppen im Jemen kommen, während er nach wie unfähig zu sein scheint das Land sozial- und wirtschaftspolitisch zu reformieren.

© Sofian Philip Naceur 2015

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