Salafisten demonstrieren in Ägypten

Erstmals seit Monaten stehen Ägypten wieder Großdemonstrationen radikalislamistischer Kräfte bevor. Die ultrakonservative Salafistische Front mobilisiert bereits seit Wochen für eine „islamische Revolution“ und will am Freitag landesweit für die „islamische Identität“ Ägyptens auf die Straße ziehen. Die Demonstration sei gegen die Militärherrschaft und säkulare Bewegungen gerichtet und wolle für die Einführung islamischer Gesetzgebung eintreten. Die Front rief dazu auf den Koran bei den Protesten hochzuhalten. Die Scharia sei „die Antwort auf die Probleme in der Gesellschaft“, heißt es in einer offiziellen Stellungsnahme der Front (erschienen in Junge Welt am 28.11.2014).

Der anfangs medial belächelte aber viel diskutierte Aufruf der Ultrakonservativen hat zuletzt jedoch neuen Zunder erhalten, nachdem die verbotene und von Ägyptens Regierung als Terrorvereinigung eingestufte Muslimbruderschaft den Protestaufruf willkommen hieß. Zwar ruft die Organisation ihre Anhängerschaft nicht explizit dazu auf sich der Demonstration anzuschließen, doch könnten Unterstützer der Bruderschaft den Aufrufen der Salafistischen Front durchaus folgen. „Wir begrüßen jede Bewegung oder Person, die sich an unserem friedlichen Kampf gegen die Anführer des Militärputsches von 2013 und Ägyptens Regime beteiligen will“, so der außenpolitische Sekretär der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) Mohamed Soudan gegenüber jW. Die FJP ist der politische Arm der Bruderschaft. Weiter betont Soudan er gehe nicht davon aus, dass die Proteste am 28. November das Ende der Junta sein werde, doch es brauche eine große Protestwelle mit neuen Verbündeten, die die Ziele der Organisation teilen. Auf ihrer Internetseite warnt sie die Behörden davor Unschuldige zu töten und unterstreicht ihr Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Wortmeldungen lesen sich jedoch durchaus als vorsichtiger Aufruf sich der Demonstration anzuschließen.

Derweil opponieren andere islamistische Kräfte am Nil gegen die angekündigten Proteste. Die salafistische Bewegung Salafi Dawa und ihr politischer Arm, die Partei Hizb Al-Nour (Das Licht), verurteilten die Aufrufe der Salafistischen Front aufs Schärfste. Al-Nour Parteichef Younes Makhyoun bezichtigt die Front „extremistisches Gedankengut“ zu verbreiten und Staatsinstitutionen zerstören zu wollen. Die Teilnahme an den Protesten würde zu Chaos und einem weiteren Massaker wie an der Rabaa Al-Adawija Moschee führen. Das Rabaa-Massaker kostete am 14. August 2013 mindestens 900 Menschen das Leben, als Polizei und Armee ein Protestlager der Muslimbrüder gewaltsam auflösten. Die Al-Nour unterstütze im Juli 2013 die Absetzung des Ex-Präsidenten und Muslimbruders Mohamed Mursi, obwohl die Partei noch vor Mursis Wahlsieg als Mehrheitsbeschaffer der FJP im ersten frei gewählten Parlament auftrat.

Unterdessen bezweifeln andere die Sprengkraft der Protestaufrufe. Mohamad Habib, ehemaliger Vize-Chef der Bruderschaft, betonte gegenüber jW er gehe nicht davon aus, dass sich viele Menschen den Protesten anschließen werden. Die Demonstrationen würden nicht groß genug werden, um Unruhe zu stiften. „Die Bruderschaft hat Anerkennung und Respekt verloren, sie ist nicht mehr glaubwürdig“, so Habib, der nach der Revolution 2011 die Organisation verlassen und eine reformistische Islamistenpartei gegründet hatte.

Das Innenministerium kündigte derweil an gegen unerlaubte Demonstrationen mit aller Härte vorzugehen und signalisierte den Einsatz scharfer Munition, sollte die „Sicherheit gefährdet“ werden. Auch die Armee soll am Freitag in den Straßen Stellungen beziehen, heißt es. Schon am Montag waren fünf Mitglieder der Salafistischen Front verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen zu Gewalt aufgerufen zu haben. Sie seien im Besitz von Flugblättern gewesen, die darauf hingewiesen hätten, dass sie Chaos verbreiten und mit Waffen gegen Sicherheitskräfte vorgehen wollten, besagt eine Stellungsnahme des Innenministeriums. Polizei und Armee waren zuletzt immer wieder gewaltsam gegen Proteste islamistischer Studentengruppen an den Universitäten vorgegangen.

© Sofian Philip Naceur 2014

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